Das , das ungleiche Paar, ist eine beliebte
Figurenkonstellation im Film, weil sich Konflikte so gut daran erzählen lassen.
Der eine nimmt’s gelassen, der andere schwer. Die eine sucht den Weg des geringsten
Widerstands, die andere geht immer voll auf die Zwölf. Innerhalb
eines halben Jahres sind zwei Filme ins Kino gekommen, die zwei sehr unterschiedliche
Menschen vor dem Hintergrund des Holocausts beleuchten: von der deutschen Regisseurin Julia von Heinz ist eine Adaption des Lily-Brett-Romans und handelt von der
Tochter eines polnischen Juden und Auschwitz-Überlebenden, die ihren Vater mehr
oder weniger zwingt, mit ihr seine Vergangenheit in Polen zu bewältigen. Nun folgt Jesse Eisenbergs , der ebenfalls in Polen spielt und zwei US-amerikanische Cousins begleitet, die von ihrer verstorbenen jüdischen Großmutter
Geld vermacht bekommen haben, damit sie sich auf die Spuren der Familie begeben.
Eisenberg, bekannt für seine Rolle als Mark Zuckerberg in und zuletzt als von einer Midlife-Crisis gebeutelter Mann in zu sehen, schrieb das Drehbuch, führte
Regie und spielt selbst den – natürlich neurotischen, soziophoben – Part des . Seine Figur David lebt in New York City, hat Frau und Kind, verkauft
Anzeigen im Internet und ist permanent gestresst und paranoid. Den Counterpart spielt der großartige Kieran Culkin, der dafür bei den Golden
Globes als bester Schauspieler in einer Komödie ausgezeichnet wurde. Sein Benji ist ein vorgeblich lockerer Typ, der im Nu mit jedem ins
Gespräch kommt und die Lacher und Sympathien auf seiner Seite hat. Wenn es ihm
gerade gut geht. Wenn nicht, ist er das, was man nennt, jemand, der Grenzen übertrampelt, sein Gegenüber düpiert und
einfach immer sagt, was er denkt. Der Typ von Freund, für den sich Leute wie
David permanent entschuldigen.
Die beiden Cousins treffen auf einem der Flughäfen von New York
aufeinander, David hetzt schweißgebadet und staugestresst zum Check-in, Benji reicht
ihm tiefenentspannt ein Sandwich, das er in den Stunden, die er zuvor durch die
Terminals geschlendert ist, für den Cousin gekauft hat. Während David sich im
Flugzeug Angstblocker einwirft, lehnt sich Benji einfach zurück – und
schläft durch bis Warschau. Am Hotel angekommen, nimmt er erst mal ein Paket mit Gras entgegen, das er sich selbst nach Europa geschickt hat.
Es fängt also alles an, wie man es von einer
mittellustigen, mitteloriginellen US-Komödie erwarten
würde. Nur dass diese fortan auf einer sogenannten Holocausttour stattfindet. Schon zu Beginn zuckt man als Zuschauerin
zusammen, wenn der engagierte britische Tourguide seiner Reisegruppe erklärt,
er sei zwar selbst nicht jüdisch, bewundere aber die jüdische Geschichte, die gewesen sei.
„Zeitweise tragisch“, das wäre auch ein passender
Titel für diesen Film gewesen, der sich zwischen den ganz banalen Erlebnissen
und Dynamiken einer x-beliebigen Reisegruppe und den
Traumata der einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewegt. Ein Besetzungscoup ist Jennifer
Grey: Die Darstellerin der Baby aus spielt eine geschiedene, reiche Kalifornierin, die endlich verstehen will, warum ihre Mutter nie mit ihr sprechen konnte
und sie selbst dieses Muster mit ihrer Tochter wiederholt.
Vor dem Denkmal für die Helden des Gettos in Warschau fängt Benji plötzlich an,
die etwas steife Reisetruppe zu motivieren, sich davor, besser gesagt mitten in der Figurengruppe zu
positionieren. Sich selbst als Widerstandskämpferinnen und -kämpfer zu fühlen. Ja, Teil von diesem Denkmal zu werden. Es ist eine tolle Szene, weil sie genau das erfahrbar werden lässt, was als Begriff so erstarrt ist: eine lebendige Gedächtniskultur.
Benji ist es auch, der es auf der Zugreise zu einem
jüdischen Friedhof plötzlich nicht mehr aushält, mit Lunchpaketen im Erste-Klasse-Abteil
zu sitzen: „Sieht denn niemand die Ironie?“, schreit er seine Mitfahrer an. „Vor
80 Jahren wären wir in einen Viehwaggon gepfercht worden!“ Natürlich kann auf
diesen Kommentar niemand etwas Adäquates antworten, und so entschuldigt David seinen Cousin mal wieder und trägt ihm geduldig das Gepäck in die zweite Klasse hinterher, beruhigt ihn und schläft dann tatsächlich selbst endlich
einmal beruhigt im Zug ein. Natürlich verpassen die beiden dann den Ausstieg.