Sie stellte sich tot, während aus dem Kopf einer erschossenen Frau Blut auf sie herabtropfte. Nicht bewegen, nicht schreien. Nur überleben. Acht Stunden lang lag Sängerin Yuval Raphael unter Leichen, um nicht selbst zu sterben.

Der 7. Oktober 2023. Yuval Raphael – geboren in Ra’anana nahe Tel Aviv – überlebt in einem Bunker das unvorstellbare Hamas-Massaker beim Supernova-Musikfestival (364 Tote).

Yuval Raphael: „Musik ist Teil meines Heilungsprozesses“

Immer wieder schossen die Terroristen auf die angsterfüllten Menschen. Warfen Granaten, schlugen mit ihren Gewehren auf alle, die sich bewegten. Nur elf der 40 bis 50 Menschen, die in dem Bunker Schutz gesucht hatten, überlebten. Yuval gehört dazu – und steht bald auf der großen Bühne.

Die mutige junge Frau wird Israel vom 10. bis 17. Mai beim „Eurovision Song Contest“ in Basel (Schweiz) vertreten.

Am Mittwoch gewann sie die israelische Castingshow „Hakochav Haba“ (deutsch: Aufsteigender Stern). „Musik ist ein starker Bestandteil meines Heilungsprozesses“, sagte Yuval nach ihrem Sieg. Ihr Lied wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Was ihr wichtig ist: „Die Welt soll einen Bericht aus erster Hand darüber hören, was ich durchgemacht habe und womit ich täglich zu kämpfen habe, damit niemand das Gegenteil behaupten kann.“

Im Schweizer „Tages-Anzeiger“ beschrieb sie 2023, zweieinhalb Monate nach dem Anschlag, was sie erlebt hat. Es sind Schilderungen, die man nur schwer begreifen kann.

Yuval: „Wir kamen ungefähr um 23.30 Uhr auf dem Festivalgelände an, tranken noch etwas auf dem Parkplatz. Um halb vier gingen wir zur Party.“ Sie tanzten drei Stunden. Bis die Musik plötzlich stoppte. Sirenen heulten. Der Terror begann.

„Jede lebende Person hatte eine tote Person, die sie schützte“

Yuval: „Etwa 200 Meter von uns entfernt sahen wir einen kleinen Raketen-Schutzraum, für etwa zehn Leute konzipiert. Wir waren aber etwa 50 (…) Ich habe mich in die hinterste Ecke des Bunkers gesetzt.“ Dann kamen die Terroristen, feuerten blind auf die am Boden kauernden Menschen.

► „Nach dem ersten Angriff fielen Menschen auf mich (…) Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass das Mädchen, dessen Hand ich hielt, tot war. Ihr Kopf lag auf meiner Schulter. Auf der anderen Seite war der Kopf einer anderen Leiche (…) Ich zog sie so zu mir, dass ihre Wange auf meiner lag, damit mein Gesicht geschützt war. Jede lebende Person hatte eine tote Person, die sie schützte.“

Acht Stunden blanke Todesangst

Yuval atmete flach. Immer wieder flogen Granaten in den Bunker. Es roch nach Blut und verbrannter Haut. „Irgendwann sah ich ein Mädchen über mir und dass sie ein riesiges Loch im Kopf hatte. Manchmal musste ich meine Hand unter ihren Kopf legen, um mein Bein zu entlasten. Wenn ich das tat, tropfte etwas aus dem Loch ständig auf meine Hand.“ Es war Blut.

Als israelische Soldaten endlich eintrafen, ist Yuvals Martyrium beendet. Sie sagt später: „Am schlimmsten war, dass es keinen Boden mehr gab – nur tote, zerschmetterte Körper.“

Yuval will, dass die Welt nicht wegschaut, dass die Menschen ihr zuhören. Viele Millionen TV-Zuschauer in ganz Europa werden dies beim ESC tun.