Vor 21 Jahren präsentierte ein gewisser Friedrich Merz seine Idee für eine Revolution im deutschen Einkommensteuerrecht. Schlanke drei Steuersätze und dafür Schluss mit vielen Steuervergünstigungen. Es war ein so einfaches System. Auf einem Bierdeckel sollte jeder ausrechnen können, wie viel Steuern er zahlen muss.

Ich bin keine Steuerfachfrau, aber mir hat damals die Radikalität des Vorschlags imponiert – und der Mut und die Kraft, für seine Überzeugungen auch einen Shitstorm auszuhalten.

Und heute? Also mich überrascht, ja erschreckt die Verzagtheit, die Merz als Oppositionsführer und Kanzlerkandidat an den Tag legt.

Plötzlich kann man mit ihm über die Schuldenbremse reden. Plötzlich soll die Ukraine Taurus-Marschflugkörper erst dann bekommen, wenn auch Donald Trump das für richtig hält – also nie. Plötzlich kommen wir in der Rente auch zurecht, wenn das Renteneintrittsalter bei 67 bleibt. Von einer Wiederbelebung der Atomkraftwerke in Deutschland ist auch nicht mehr die Rede. Und Habeck im Wirtschaftsministerium? Irgendwie auch okay.

Über jeden dieser Punkte kann man diskutieren. Aber Merz und seine Partei haben sich vor nicht allzu langer Zeit sehr anders angehört. Offenbar macht man sich Sorgen, Wähler durch vermeintlich unpopuläre Forderungen zu verprellen. Der von CDU und CSU versprochene „Politikwechsel für Deutschland“ wirkt auf mich jedenfalls komplett kraftlos. Vieles, was da im Wahlprogramm stehen soll, ist ja schön und gut – aber ein echter Game-Changer für Deutschland ist es nicht. Eben ganz anders als damals die Bierdeckel-Idee.

Wer meine Stimme am 23. Februar haben will, von dem erwarte ich klare Antworten darauf, wie wir unsere Wirtschaft entfesseln, unser Land verteidigungsfähig machen, die Migration unter Kontrolle bringen, das tägliche Leben bezahlbar halten, die Schulen besser und den öffentlichen Raum sicherer machen.

Schön wäre auch eine Idee, wie die Leistungsfähigkeit unseres Renten- und Gesundheitssystems verbessert werden kann – das alles, ohne uns komplett zu überschulden. Anders gesagt: Wer keinen überzeugenden Plan hat, wie Deutschland wieder ein Land der Zukunft wird, hat im Kanzleramt nichts verloren.

Olaf Scholz und Robert Habeck sind an dieser Aufgabe in den Augen der Bürger krachend gescheitert. Deswegen kommt es jetzt auf niemanden mehr an als auf Friedrich Merz!