Lyrikfans mag der wöchentliche ARD-Sonntagabendkrimi als
Kampf gegen Windmühlen erscheinen. Die Dichtkunst hat im keinen
Platz, seit Heinz
Erhardt tot ist, sind die Tage des Reims gezählt. Doch dann beginnt die
neue Kieler Folge (NDR-Redaktion: Sabine
Holtgreve) mit einem Gedicht: „Eines Nachts
starb das Meer /von einem Ufer zum andern.“
stammt von der Literaturnobelpreisträgerin Gabriela Mistral
(1889–1957), die als historische Figur in einem deutschen Film vermutlich
zuletzt in Maria Schraders toller Stefan-und-Lotte-Zweig-Geschichte (2016) einen Auftritt hatte.
„Luxus bauen, das geht fix / für das Klima tut ihr nix“,
skandieren wiederum die jungen Klimaaktivisten, um die es im geht. Vor der Erde
sterben allerdings ihre Bewohner. Bei der ersten Leiche einer jungen Frau wird noch kurz mit einem
Gewaltverbrechen des verhörten Freundes (Jonathan Berlin) kokettiert, dann
folgt die nächste Tote und bald darauf noch ein junger Mann, und weil sich die
Fälle ähneln, wissen Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bağrıaçık),
dass hier was nicht mit rechten Dingen zugeht.
Das Muster besteht darin, dass die jungen Leute, die eben
noch für eine bessere Zukunft gekämpft haben, Suizid begehen. Fahrrad und Handy werden
ordnungsgemäß im Wertstoffhof abgegeben, danach geht es mit K.-o.-Tropfen ins
Meer, die per Post zugeschickt wurden. Veranlasst von Zenaida, einer KI mit
menschlichem Antlitz (gespielt von Milena Tscharntke). Zenaida wurde von Sofia
Hoffmann (Pauline Fusban) zwar auf sympathisch programmiert, nimmt aber als
Maschine ihren Auftrag (Bewahrung der Schöpfung) zu ernst. Und verfällt auf
die Idee, den CO₂-Ausstoß dadurch zu senken, dass sie ihren Followern
„radikale Konsequenz“ verordnet – eben den Suizid. Wer tot ist, verbraucht keine Ressourcen mehr
(Drehbuch: Katharina Adler, Rudi Gaul).
Die Zeichen stehen also auf Dystopie, wobei man sich schon
fragen kann, ob die Verschraubung eines Engagements gegen die Klimakatastrophe
mit einer Erzählung über die Macht der Maschinen nicht eher abwegig wirkt. Die algorithmisch gesteuerte
Radikalisierung auf Social Media steuert aktuell doch eher ins Rechtsextreme. Ebenso die Bereitschaft, sich mit falschen Informationen
in eine eigene gefühlte Realität zu hysterisieren. Und von Bots und
Trollen, die gegen die Klimakatastrophe kämpfen, hat man auch noch nicht so oft
gehört.
Zumal der für die „radikale
Konsequenz“ keine plausible Darstellung findet – was eben noch
ein vernünftiger, kritischer junger Mensch war, gibt mit einem Mal das eigene Leben
auf, nur weil die Maschine ihm gut zuredet? „In diesem Video sieht niemand
depressiv oder psychotisch aus“, sagt Chef Schladitz (Thomas Kügel) einmal
über Bilder von den Demonstrationen der jungen Leute. Depressiv und psychotisch
vielleicht nicht, aber doch ziemlich trüb, blass, eingemullt.
Dass die jungen Menschen bisweilen aussehen wie Halbtote,
hat mit der Inszenierung des Films zu tun (Regie: Katharina Bischof). Der Film
hat sich eingeigelt in die Melancholie, die diesige Novembertage an rauen
Nordseeküsten verbreiten, die Farben blassbeige oder dezent grünblau, was
naturgemäß gut aussieht, nicht nur im Dunkel der Verhörräume. Nur soll so ein
ja keine Werbung für Bier, teure Uhren oder Schleswig-Holstein machen.
Passend dazu ist von Beginn an die Energie aus dem Agieren aller
Figuren gewichen. Mila Sahin wird im ersten Bild von hinten an der Küste
stehend gezeigt (Kamera: Robert von Münchhofen), was beispielhaft für die ganze
Folge ist. Die Polizistin informiert nicht sachlich und professionell oder auch
verstört über eine gefundene Leiche, sondern wir schauen mit ihr aufs Meer, als
wäre gerade Nachmittagsspaziergang bei der Fastenkur oder im Schweige-Retreat.
Die Geschichte von reihenweise sich umbringenden Menschen
würde im richtigen Leben mediales Gelärm allererster Kajüte verursachen. Hier
wird alles runtergedimmt, als handelte es sich um ein Kammerspiel. Wer in
diesem Film redet, flüstert zumeist, am ehesten gelingt es noch Thea Ehre als
Polizeitechnikerin Paula Rinck, so was wie Eigensinn zu versprühen und etwas
Leben in die Bude zu bringen. Die Grundwattigkeit des Film ist auch deshalb ein
Problem, weil die Erzählkonstruktion schon nicht sonderlich spannend ist –
durch die gedämpfte Form der Darstellung kommt der Krimi dann noch mal öder
daher. Trauerkloßmasse.
Die letzte halbe Stunde muss dann
darauf verwenden, die als Täterin erkannte Maschine (Boro: „Mordet, ohne
zu morden“) unschädlich zu machen. Dazu kommt der Kommissar der KI moralisch,
was naheliegend ist, insofern das der Maschine fehlt (Moral). Zugleich wirkt
diese Art von Überlegenheit aber auch nicht sonderlich aufregend, fehlt diesem
Clou das Augenzwinkernde der List, die hier nötig ist, um die Maschine dazu zu
bringen, sich selbst den Stecker zu ziehen.
Es ist einigermaßen rätselhaft, was bei diesem
schiefgelaufen ist. Vielleicht
hätte es der bemühten Geschichte besser getan, wenn sie als muntere
Komödie inszeniert worden wäre.