„Wir haben schon zusammen Fußball gespielt“

ZEIT: Was haben die ehemalige Bundestagspräsidentin und die ehemalige Fußballnationaltrainerin der Frauen miteinander zu tun?

Bärbel Bas: Das muss beim KBC gewesen sein, in den 1980er-Jahren …

Martina Voss-Tecklenburg: … da haben wir beide Fußball gespielt.

ZEIT: Der Kaßlerfelder Ballsportclub Duisburg 1888 besaß zu dieser Zeit eine legendäre Frauenfußball-Abteilung.

Bas: So richtig haben wir uns dann erst wieder im Wembley-Stadion gesehen, nach dem verlorenen Finale gegen England bei der EM 2022. In der Kabine. Da dachte ich, na, ob die Martina mich noch erkennt. Ich komme also rein mit dem Kanzler, und ihr erster Satz ist: Übrigens, mit ihr habe ich schon Fußball gespielt.

Voss-Tecklenburg: Als Fußballerinnen hat man immer eine gemeinsame Ebene. Die bleibt.

Bas: Wobei du deutlich besser warst, ich habe meist nur in der zweiten Mannschaft gespielt.

ZEIT: Im Gegensatz zu Angela Merkel ist Olaf Scholz nicht gerade für seine Fußballleidenschaft bekannt.

Voss-Tecklenburg: Im Frauenfußball spielen Besuche wie im Wembley-Stadion trotzdem eine wichtige Rolle, weil wir immer noch um Anerkennung, Reputation und Entwicklung kämpfen. Auch Frank-Walter Steinmeier war oft bei uns, sogar im Trainingslager. Die Politiker gehen auf diese Weise in den Dialog. Olaf Scholz hat uns in Wembley gut zugehört, er hatte sich vorbereitet.

Bas: Also ich muss mich als Politikerin nicht quälen, um zum Fußball zu gehen. Ich bin auch gerne bei Landesligaspielen.

ZEIT: Haben Sie Olaf Scholz vorher gebrieft?

Bas: Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass Olaf Scholz’ Lieblingssport Rudern ist. Wie Martina aber sagt: Der Bundeskanzler war im Wembley-Stadion vorbereitet und offenbar so angetan, dass er im Februar 2023 zum Frauen-Länderspiel gegen Schweden zu uns nach Duisburg in die MSV-Arena gekommen ist. Außerdem hat er sich für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern im Fußball eingesetzt. Und: Er war auch bei der EM der Männer im vergangenen Jahr regelmäßig im Stadion.

ZEIT: Bei Bärbel Bas wissen wir, was sie am 23. Februar gewählt hat. Bei Ihnen, Martina Voss-Tecklenburg, ist man sich nicht so sicher.

Voss-Tecklenburg: Ich komme aus einer Duisburger Arbeiterfamilie, da wurde traditionell SPD gewählt. Das kannte ich gar nicht anders. Dann habe ich einen Unternehmer geheiratet, bin nach Straelen gezogen, da wählen gefühlt 90 Prozent der Leute schwarz. Das stellt schon ein gewisses Problem dar.

ZEIT: Immerhin gehen die Männer nicht mehr mit in die Wahlkabine, um sicher zu sein, dass die Frauen ihr Kreuz an der richtigen Stelle machen.

Voss-Tecklenburg: Politisch treibt mich vor allem die Frage um: Ist die Politik für die Menschen da? Subjektiv würde ich sagen: Man bekommt auf klare Fragen selten klare Antworten. Wenn ich als Trainerin einer Spielerin ausweichend begegne oder meine Meinung nicht begründen kann, verliere ich ihr Vertrauen. In der Gesellschaft verhält sich das nicht anders. Man muss den Leuten erklären, warum sie statt 35 oder 38 Stunden pro Woche vielleicht besser wieder 40 arbeiten sollen. Man muss ihnen Anreize bieten. Das geschieht nicht. Bärbel kann das sicher beantworten: Wo kippt das in der Politik? Wo wird das Parteipolitische wichtiger als das große Ganze?

Bas: Also ich rede nicht so, wie du es beschreibst. Von mir bekommen die Leute Antworten. Da bin ich bei Franz Müntefering: Hauptsatz, Nebensatz, fertig. Das Dilemma ist meiner Ansicht nach ein anderes: Am Wahlstand und im Programm versprechen wir 100 Prozent SPD. Dann gehen wir als Partei in eine Koalition und müssen Abstriche machen. Kompromisse aber werden nicht mehr verstanden und nicht mehr geachtet. Übrigens auch unter manchen Medienleuten nicht. Zwei Parteien haben sich auf etwas geeinigt, und die erste Frage lautet: Wer ist der Verlierer? Auch Kompromisse zu vermitteln, ist nicht leicht. Da weicht manches notgedrungen auf, die Sprache verändert sich. Schon denken die Leute: Vor der Wahl hast du mir aber etwas anderes erzählt. Und dann ist da noch die Opposition, die aus Prinzip vieles kritisiert.

ZEIT: Der zurückliegende Bundestagswahlkampf bestand im Wesentlichen darin, zu erklären, wer mit wem auf keinen Fall koaliert. Warum fällt es uns heute so schwer, Koalitionen einzugehen, Kompromisse zu finden?

Bas: Weil alles so polarisiert ist. Und sprachlich so scharf. In den Bundestagsdebatten denke ich mir manchmal: Ihr tut euch gerade auf eine so persönliche Weise weh, wie wollt ihr euch hinterher eigentlich noch in die Augen schauen? Olaf Scholz und Christian Lindner sind dafür gute Beispiele. Die werden sich vielleicht nie wieder versöhnen.

Voss-Tecklenburg: Die Mitte ist weg.

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