Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht.
Keine 24 Stunden nach seiner Vorstellung spricht einer der Haupt-Verhandler in BILD: SPD-Chef Lars Klingbeil (47).
Sie haben bei der Bundestagswahl 16,4 Prozent bekommen – und jetzt sieben Ministerien. Wie haben Sie das geschafft?
Lars Klingbeil: „Das war alles vertraulich und soll auch so bleiben. Natürlich gab es mal Verkantungen. Natürlich ist es auch mal lauter geworden. Wir haben faire Verhandlungen geführt.“
Was sagen Sie den Menschen, die sagen, es gibt eine rechte Mehrheit in Deutschland und sie bekommen jetzt linke Politik?
Klingbeil: „Ich glaube, es ist eine Politik, die dieses Land nach vorn bringen wird.“
Nun ist doch klar, dass Sie Finanzminister werden.
Klingbeil: „Erst mal ist klar, dass ich als Parteivorsitzender gemeinsam mit Saskia Esken sehr froh darüber bin, dass wir unseren Mitgliedern einen Koalitionsvertrag vorlegen können, wo wir sagen, da taucht die SPD vernünftig auf.“
Ist Ihr Personal so schlecht, dass Sie Sorge davor haben, dass die Basis Sie abstraft?
Klingbeil: „Wir werben jetzt für diesen Koalitionsvertrag, dann wird abgestimmt, dann gibt es Personal.“
Abschiebeflüge nach Syrien, „wenn das vertretbar ist“
Wird Friedrich Merz vom ersten Tag seiner Kanzlerschaft an Flüchtlinge zurückweisen?
Klingbeil: „Zurückweisungen finden heute schon statt. Im Koalitionsvertrag ist angelegt, dass wir mehr Grenzkontrollen machen werden. Damit wird es automatisch mehr Zurückweisungen geben.“
Friedrich Merz hat gesagt: ,Faktisches Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisepapiere‘. Gilt das?
Klingbeil: „Das ist kein Text aus dem Koalitionsvertrag.“
… sondern aus seinem Fünf-Punkte-Plan.
Klingbeil: „Der Koalitionsvertrag gilt.“
Das heißt, Herr Merz hat sich mit seinem Fünf-Punkte-Plan offenbar nicht durchgesetzt?
Klingbeil: „Es geht nicht um die Frage durchsetzen, sondern darum, ob wir gemeinsame Lösungen finden. Und die haben wir in enger Abstimmung miteinander getroffen.“
Wird es jeden Tag Abschiebeflüge geben?
Klingbeil: „Wir haben schon in der jetzt geschäftsführenden Bundesregierung angefangen, nach Afghanistan abzuschieben. Mit einem Flug. Und es wird weitere geben, das ist verabredet. In welchem Modus die stattfinden, dafür ist dann der Innenminister zuständig.“
Auch nach Syrien?
Klingbeil: „Wir werden zum richtigen Zeitpunkt auch wieder mit Syrien anfangen. Natürlich muss man immer beobachten, was in Syrien passiert. Ich glaube, man war sehr euphorisch in Teilen der deutschen Politik, nachdem das Assad-Regime gestürzt war. Mir ging das zu schnell, weil man nicht genau wusste, was da passiert. Wir haben jetzt Angriffe und auch Massaker gesehen an Teilen der eigenen Bevölkerung. Das wird man sehr genau beobachten. Aber klar ist, wenn das vertretbar ist, dann wird es diese Flüge auch nach Syrien geben.“
Kein Bekenntnis zu Taurus-Lieferungen
Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident, hat erneut um Taurus gebeten. Sind Sie für Taurus-Lieferungen oder dagegen?
Klingbeil: „Wir haben als SPD eine klare Position. Ich werde keinen öffentlichen Streit über einzelne Waffensysteme führen.“
Also ist es wieder offen? Oder bleiben Sie bei der Haltung, dass Sie gegen Taurus-Lieferungen sind?
Klingbeil: „Wenn wir eine Bundesregierung haben, werden Dinge besprochen.“
In der letzten war es so, dass die Außenministerin, der Verteidigungsminister, der Finanzminister für eine Lieferung von Taurus waren und der Bundeskanzler dagegen. Also könnte es auch in der neuen Regierung so sein, dass der Kanzler sagt, das ist eine Kanzler-Entscheidung und Sie halten sich da raus?
Klingbeil: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Friedrich Merz den Willen hat, dass wir Dinge gemeinsam entscheiden.“
Alles unter „Finanzierungsvorbehalt“
Zum Abschluss, Herr Klingbeil: Alles, was in diesem Koalitionsvertrag steht, steht unter Finanzierungsvorbehalt. Bedeutet das auch, dass etwa die Mütterrente unter Vorbehalt steht?
Klingbeil: Alles heißt alles. Aber es gibt natürlich Sachen, die wir uns im Sondierungspapier vorgenommen haben und die eine Priorität haben. Dazu zählt auch die Mütterrente. Ich komme aber aus einer Regierung, in der sich die Haushaltslage mittendrin zweimal verändert hat. Einmal durch den russischen Angriffskrieg, als man mit 20, 30 Milliarden aus dem laufenden Haushalt die Ukraine finanziert hat. Dann durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Im Haushalt fehlten 60 Milliarden. Deshalb war es uns wichtig, dass wir klarmachen: Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt. Aber der Wille und die Absicht, es zu finanzieren, ist da.