Werksschließungen bei Volkswagen abgewendet – Mehr als 35.000 Stellen werden abgebaut

Nach einem beispiellosen Verhandlungsmarathon haben Europas größter Autobauer Volkswagen und die IG Metall ihren Tarifkonflikt beigelegt. Beide Seiten einigten sich in mehr als 70-stündigen Verhandlungen auf den Erhalt sämtlicher VW-Werke. Die seit drei Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung wird wieder in Kraft gesetzt und gilt nun bis 2030. Im Gegenzug verzichten die Mitarbeiter in den kommenden Jahren auf Lohnerhöhungen, Boni werden gekürzt. Zugleich soll Personal abgebaut werden, bis 2030 will VW mehr als 35.000 Stellen streichen. Der Abbau solle sozialverträglich erfolgen, teilte der Konzern in Berlin mit.

Außerdem soll in zwei Werken die Produktion, wie sie jetzt gestaltet ist, auf längere Sicht eingestellt werden: So ist dem Kompromiss zufolge vorgesehen, dass in Dresden Ende kommenden Jahres die Fahrzeugfertigung endet. Für die Zeit ab 2026 werde „ein alternatives Gesamtkonzept erarbeitet“, hieß es. In Osnabrück soll die dortige Produktion im Spätsommer 2027 enden, für die Zeit danach solle eine „Zukunftsperspektive für den Standort“ entwickelt werden.

„Wir hatten bei den Verhandlungen drei Prioritäten: Überkapazitäten an den deutschen Standorten abbauen, Arbeitskosten senken und Entwicklungskosten auf wettbewerbsfähiges Niveau senken“, sagte VW-Markenchef Thomas Schäfer. „Wir haben bei allen drei Themen tragfähige Lösungen erzielt.“ Der Autobauer werde die technische Kapazität an den deutschen Standorten um über 700.000 Fahrzeuge reduzieren. „Das sind harte Entscheidungen, aber auch wichtige Weichenstellungen für die Zukunft.“ Damit schaffe man die Grundlage, um Volkswagen bis 2030 zum technologisch führenden Volumenhersteller aufzustellen.

IG-Metall-Chefunterhändler Thorsten Gröger sagte, es sei ein Paket geschnürt worden, „das schmerzliche Beiträge der Beschäftigten beinhaltet, aber im gleichen Atemzug Perspektiven für die Belegschaften schafft.“ Er sei froh, dass rote Linien eingehalten worden seien, erklärte er mit Blick auf die verhinderten Werksschließungen und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.

VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo sagte, unter schwierigsten konjunkturellen Bedingungen sei eine grundsolide Lösung erkämpft worden. „Zwar gibt es tarifliche Zugeständnisse jenseits der monatlichen Einkommen – dem gegenüber stehen aber der solidarisch erwirkte Erhalt aller Standorte samt Zukunftsperspektiven, eine neue Beschäftigungssicherung bis Ende 2030 und nicht zuletzt die Gewissheit für den Vorstand, dass bei Volkswagen Veränderungen gegen den Willen der Belegschaft zum Scheitern verurteilt sind.“

Beide Seiten hatten die fünfte Verhandlungsrunde immer wieder verlängert und mehrere Nächte um ein Ergebnis gerungen. Es war die bislang längste Verhandlungsrunde in der Geschichte des Autobauers. Für die letzte Verhandlungsrunde vor Weihnachten wurden gleich mehrere Tage angesetzt, weil beide Seiten vor den Feiertagen zu einer Einigung kommen wollten. Rund 70 Vertreter von Unternehmen und Gewerkschaft hatten sich für die fünfte Verhandlungsrunde in einem Hotel in Hannover einquartiert.

Gewerkschafter hatten „rote Linien“ markiert

Noch am Mittwoch hatten Teilnehmer von weit auseinander liegenden Positionen gesprochen. Streitpunkte waren bis zuletzt vor allem die von VW ins Spiel gebrachten Werksschließungen und betriebsbedingten Kündigungen. Die IG Metall hatte beides als „rote Linien“ bezeichnet, die nicht überschritten werden dürften. Auch die von VW geforderte pauschale Lohnkürzung von zehn Prozent lehnte die Gewerkschaft ab.

Zudem wollte VW weniger Auszubildende übernehmen und die Bezahlung von Leiharbeitern, die bei VW bisher einen Zuschlag erhalten, auf das normale Niveau der Zeitarbeit absenken. VW begründete die geforderten Einschnitte mit hohen Kosten und einer geringen Auslastung seiner Werke.

Die IG Metall verlangte stattdessen den Erhalt aller zehn Standorte in Deutschland sowie eine Beschäftigungsgarantie für die rund 130.000 Mitarbeiter. Die bisherige Beschäftigungsgarantie, die betriebsbedingte Kündigungen seit mehr als 30 Jahren ausschloss, hatte VW im September aufgekündigt. Die IG Metall überzog den Autokonzern seit Anfang Dezember zweimal mit flächendeckenden Warnstreiks. Laut Gewerkschaft beteiligten sich beide Male rund 100.000 Beschäftigte an neun Standorten.