„Wenn Trump Deals will, gibt es keinen besseren Partner als China“

ZEIT ONLINE: Donald Trumps Regierung schlägt das
transatlantische Bündnis zwischen den USA und Europa zu Bruch. China ist aus
Sicht Washingtons überraschenderweise nicht mehr der wichtigste Gegner – so sagte es
der neue amerikanische Vize-Präsident J. D. Vance auf der Münchener
Sicherheitskonferenz
. Kann die chinesische Führung sich auf die nächsten vier
Jahre freuen?

Wang Huiyao: Es deutet sich bereits an, dass sich Trumps
China-Politik in seiner zweiten Amtszeit deutlich von der in seiner ersten
unterscheiden wird. Damals konzentrierte er sich auf den Handelskrieg mit
China. Aber jetzt verändert er die Dynamik. 

ZEIT ONLINE: Zugunsten Chinas?

Wang: Er scheint in seiner zweiten
Amtszeit eine größere Agenda für Amerika zu haben. Trump will eine
Neuausrichtung der amerikanischen Beziehungen mit dem Rest der Welt, auf einmal
sind Kanada, der Golf von Mexiko, Grönland und der Panama-Kanal das Thema,
nicht mehr China. Trump will bessere Deals für Amerika. Davon können die USA
kurzfristig profitieren, langfristig wird er die USA mit seiner aggressiven
Zollpolitik allen gegenüber isolieren. Und anders als sein Vorgänger scheint
ihm der Wettbewerb zwischen Demokratie und Autokratie nicht mehr wichtig zu
sein. Das könnte die Beziehungen zwischen den USA und China verbessern.

ZEIT ONLINE: Trumps Politikstil ist transaktional. Kommt
das der chinesischen Führung entgegen?

Wang: China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft. Wenn
Trump Deals abschließen will, gibt es für ihn keinen besseren Partner als
China. Er will mehr Investitionen in Amerika – chinesische Unternehmen sind bereit,
in den USA zu investieren. Er will mehr Handel – China ist ein riesiger Markt. Trump
hat viele positive Signale gesendet. Er hat das TikTok-Verbot aufgeschoben, er
hat sogar Präsident Xi zu seiner Amtseinführung eingeladen. Und er sagte, China
und die USA könnten zusammenarbeiten: Nichts sei unlösbar, wenn man kooperiere.

ZEIT ONLINE: In der Vergangenheit hat Trump den
Wettbewerb mit China immer als Nullsummenspiel beschrieben. Er hat seinen Blick
auf China grundlegend geändert, sagen Sie?

Wang: Ziemlich, denke ich. Er könnte als Präsident in
die Geschichte eingehen, der amerikanische Interessen neu definiert. Früher
wollten die Amerikaner überall intervenieren. Trump hat erkannt, dass die USA
ihre eigenen Probleme haben. Wenn jedes Land sich darauf konzentriert, seine
eigenen Probleme zu lösen, könnte die Welt ein besserer Ort werden.

ZEIT ONLINE: Welche Lehren hat China aus der ersten
Trump-Präsidentschaft gezogen und wie bereitet sich China auf seine zweite
Amtszeit vor?

Wang: China hat gelernt, dass man sich nicht zu sehr
auf die USA verlassen kann. Trotz der amerikanischen Halbleitersanktionen hat
China Wege gefunden, Durchbrüche bei KI zu erzielen, wie das Beispiel DeepSeek
zeigt. Die Lehre ist: Wenn jemand Druck ausübt, muss man innovativer sein und
sich auf die eigene Entwicklung konzentrieren. Übrigens haben Trumps Zölle
China nicht stark beeinträchtigt. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern
ist seit 2020 von gut 500 auf 600 Milliarden Dollar gestiegen, ein Anstieg von
circa 20 Prozent – trotz 25 Prozent amerikanischen Zöllen.

ZEIT ONLINE: China betont, zur „verantwortungsvollen
Macht“ in der internationalen Ordnung werden zu wollen. Wenn Trump die USA aus
Organisationen wie der WHO und den
Vereinten Nationen zurückzieht und seine Entwicklungshilfe einstellt – wird
China einspringen und mehr Verantwortung übernehmen?

Wang: China will die Stabilität der gegenwärtigen
Weltordnung aufrechterhalten. China möchte sie nicht auf den Kopf stellen,
sondern verbessern und erweitern – entsprechend seinen Möglichkeiten. Während
Trump neue Zölle erhebt, hat China beispielsweise angekündigt, mehr als 40
Entwicklungsländern Zölle zu entlassen. China folgt dem Pariser Klimaabkommen,
engagiert sich auf der ganzen Welt mit seiner Seidenstraßen-Initiative.

ZEIT ONLINE: Wird China zum Beispiel
Finanzierungslücken in der WHO füllen, die die USA nun hinterlassen?

Wang: Das kann China nicht allein übernehmen. Wenn
die USA sich weiter zurückziehen, könnten die EU und China zusammen Alternativen
entwickeln. Die G20 als Ganzes sollten nun mehr tun.

ZEIT ONLINE: Sprechen wir über Europa. China hatte
nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine angekündigt, zwischen
Russland und der Ukraine vermitteln zu wollen. Der sogenannte chinesische Friedensplan
hat jedoch die Erwartungen enttäuscht. Was ist daraus geworden?

Wang: Jede Maßnahme hilft. China hat klar Position
gegen den Einsatz von Atomwaffen bezogen – das war eine wichtige Botschaft an
Präsident Putin. China hat immer betont, dass die Souveränität und territoriale
Integrität der Ukraine respektiert werden müssen. China könnte eine wichtige
Rolle beim Wiederaufbau der Ukraine und sogar in Gaza spielen.