Wenn die Dubai-Schokolade aus der Türkei kommt

Das Hype-Produkt Dubai-Schokolade beschäftigt in Deutschland die Justiz. Das Landgericht Köln hat zuletzt drei einstweilige Verfügungen erlassen und unter anderem dem Discounter Aldi Süd vorläufig untersagt, seine „Alyan Dubai Handmade Chocolate“ zu verkaufen (AZ: 33 O 544/24). Der Grund: Das von Aldi angebotene Produkt stammt aus der Türkei und nicht aus Dubai. Und das sei eine Irreführung der Verbraucher.

Geklagt hatte der Importeur Andreas Wilmers, der hierzulande tatsächlich in Dubai hergestellte Schokolade verkauft. Fex heißt das Produkt, das zum Beispiel kurz vor Weihnachten für 24,99 Euro pro 190-Gramm-Tafel in vier ausgewählten Filialen der Drogeriekette Müller angeboten wurde. Auf eine vorherige Abmahnung hatte Aldi nicht reagiert, daher beschritt Wilmers den Klageweg.

Zuvor hatte das Landgericht Köln auch anderen Anbietern per einstweiliger Verfügung den Verkauf von Schokolade unter dem Namen Dubai-Schokolade verboten, weil sie nicht in dem Emirat hergestellt wird: der Medi First GmbH mit ihrer „Miskets Dubai Chocolate“ (Az. 33 O 513/24) und der KC Trading UG mit „The taste of Dubai“ (Az. 33 O 525/24).

Kläger dort: die Firma MBG International Premium Brands GmbH, die zwar keine Dubai-Schokolade verkauft, aber einen „Habibi-Riegel“ aus Dubai importiert. Hintergrund sind in allen Fällen die Paragrafen 128 Absatz 1 und 127 Absatz 1 Markengesetz sowie Paragraf 8 Absatz 3 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach ist es unzulässig, geografische Herkunftsangaben für Waren zu verwenden, wenn diese nicht tatsächlich aus der bezeichneten Region stammen.

Gemeint ist mit Dubai-Schokolade eine Milchschokolade, die gefüllt ist mit Pistaziencreme, Sesampaste und Kadayif-Teigfäden, auch „Engelshaar“ genannt. Üblicherweise ist die Schokolade extra dick und erinnert eher an einen Riegel als an eine Tafel. Bricht man sie auf, quillt die cremige grüne Füllung heraus.

Den Hype um die Süßigkeit hatten vor allem Influencer in den sozialen Medien entfacht, allen voran bei TikTok. Als Erfinderin der Schokolade gilt Sarah Hamouda, eine Influencerin mit britisch-ägyptischen Wurzeln. Das Rezept soll sie sich die Gründerin der Manufaktur „Fix Dessert Chocolatier“ in Dubai während ihrer Schwangerschaft ausgedacht haben, inspiriert von einer Süßigkeit aus ihrer Kindheit.

Vom entstandenen Hype wollten auch deutschen Händler und Hersteller profitieren. Neben Aldi Süd verkaufen auch andere Supermärkte und Discounter wie Rewe und Edeka oder Lidl und Penny Dubai-Schokolade, ebenso der Markenhersteller Lindt. Und das jeweils zu Preisen, die weit niedriger liegen, etwa 8,99 Euro oder 4,29 Euro.

Weitere Verfügungen könnten also noch folgen. Zumal Wilmers auch gegen Lidl und Lindt Abmahnungen ausgesprochen hatte, auf die nicht reagiert wurde. In den entsprechenden Verfahren ist bisher aber noch keine Entscheidung gefallen.

Dubai-Schokolade in einer Kategorie mit Pils oder Wiener Würstchen?

Aldi Süd hat das Produkt mittlerweile sowohl aus den Läden als auch aus dem Onlineshop entfernt. Äußern will sich der Handelsriese indes nicht zu dem Fall. Auf Nachfrage verweist der Discounter auf ein „laufendes Verfahren“. Stattdessen gibt es aber eine Einordnung des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Schon im Dezember hat die Branchenvertretung Unverständnis für die rechtlichen Auseinandersetzungen gezeigt. „Dubai-Schokolade ist lebensmittelrechtlich als eine typische Gattungsbezeichnung anzusehen“, sagt Hauptgeschäftsführer Carsten Bernoth.

Zwar beziehe sich der Name auf ein geografisch umgrenztes Gebiet. „Die Verbraucher verbinden damit aber eine Information zur Beschaffenheit des Erzeugnisses insbesondere zur Zusammensetzung der überwiegend nicht lokalen Zutaten.“ Bernoth nennt „Wiener Würstchen“ und „Pils“ als entsprechende Beispiele für die Argumentationslinie des BDSI und kommt deswegen zu dem Schluss: „Dubai-Schokolade darf nicht nur in Dubai, sondern überall auf der Welt, also auch von deutschen Chocolatiers oder privaten Schoko-Fans hergestellt werden.“

Jurist Christoph Matras von der Wirtschaftskanzlei FPS hält das für schlüssig. „Gattungsbezeichnungen sind keine geografischen Herkunftsangaben, auch wenn sie geografische Namen enthalten“, erklärt der Anwalt gegenüber WELT. Auch die Rechtsprechung und Kommentarliteratur erkenne bei bestimmten Bezeichnungen seit Langem an, dass diese vom Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres in diesem Sinne verstanden werden, wie etwa beim Wiener Schnitzel oder beim Hamburger.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass spätere Instanzen das Verbot aufheben, hängt von der Bewertung der konkreten Verkehrsauffassung ab. Wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die Bezeichnung Dubai als Gattungsbegriff für eine Zubereitungsart verstanden wird, könnte dies dazu führen, dass spätere Instanzen das Verbot aufheben.“ Und gerade vor dem Hintergrund der intensiven Medienpräsenz von Dubai-Schokolade erscheine es fraglich, ob potenzielle Käufer tatsächlich glauben, die Schokolade stamme aus Dubai.

Die Richter am Landgericht in Köln sehen das anders. „Bereits die wörtliche Auslegung der Bezeichnung ‚Dubai Handmade Chocolate‘ legt dem Verbraucher nahe, dass es sich um Schokolade aus Dubai handelt. Diese englische Bezeichnung wird der Durchschnittsverbraucher übersetzen mit ‚handgemachte Dubai Schokolade‘“, zitiert die „Lebensmittelzeitung“ aus dem Beschluss des Eilverfahrens.

Hinzu komme, dass die Kunden erkennen, dass das Produkt nicht in Deutschland hergestellt ist, weil es auf der Vorderseite eine englische Bezeichnung trage und auch die weitere Beschreibung auf dem Produkt in englischer Sprache gehalten sei. Auch der Sternchenhinweis neben dem Produktpreis, laut dem „einzelne Artikel aufgrund der aktuellen Situation in der internationalen Seefracht zeitweise nicht verfügbar oder später lieferbar sind“, deute auf ein Importprodukt hin.

Ein erheblicher Teil der Verbraucher werde daher annehmen, dass das Produkt tatsächlich in Dubai hergestellt wird, so das Gericht. Und der Hinweis auf der Rückseite der Verpackung „Herkunft: Türkei“, sei nicht geeignet, diesen Irrtum auszuräumen.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.