Der Messer-Mörder von Solingen hätte längst abgeschoben werden sollen, doch er entwischte mühelos. Eine BILD-Abfrage zeigt: Das hätte in fast jedem anderen Bundesland genau so passieren können.

Die Ausländerbehörde Bielefeld unternahm nur einen einzigen Anlauf, Issa al Hasan (26) abzuschieben: Im August 2023 versuchte man, ihn in seiner Unterkunft in Paderborn anzutreffen. Weil er nicht dort war, wurde die Abschiebung aufgegeben.

Al Hasan wusste genau, was er tat: Wie BILD erfuhr, wartete er ab, bis die Frist für eine Rückführung nach Bulgarien abgelaufen war. Vier Tage später meldete er sich und erhielt „subsidiären Schutz“, trotz illegaler Einreise und Entziehung der Abschiebung.

► BILD will von den deutschen Bundesländern wissen: Wie gehen sie vor, wenn eine abzuschiebende Person nicht angetroffen wird oder sich wehrt?

Abschiebehaft meist nur bei Fluchtgefahr

Schleswig-Holstein geht hart vor: Abzuschiebende Personen werden zur Fahndung ausgeschrieben und bei Festnahme meist in Abschiebehaft genommen.

Scheitert eine Abschiebung in Niedersachsen, wird die betroffene Person aufgefordert, sich bei der Ausländerbehörde zu melden. Danach wird eine neue Abschiebung geplant, basierend auf dem bisherigen Verhalten.

In Bremen entscheidet ein Richter, ob eine nicht angetroffene Person zur Fahndung ausgeschrieben wird oder ein neuer Versuch (mit Inhaftnahme) erfolgt. Das hängt davon ab, ob der Abzuschiebende dauerhaft abwesend oder nur vorübergehend abwesend ist.

Das Saarland verfolgt die Abschiebung erneut, wenn die Person wieder auftaucht und versucht es bei Widerstand weiter, was auch eine Abschiebehaft nach sich ziehen kann. Sachsen prüft in jedem Fall individuell, ob Abschiebehaft nötig ist.

In Bayern und Rheinland-Pfalz wird bei längerem Untertauchen die Rückstellfrist verlängert (von sechs auf 18 Monate) und dann eine mögliche Inhaftnahme geprüft. Dass jemand nicht angetroffen wird, reicht noch nicht aus, um „erhebliche Fluchtgefahr“ und damit eine Inhaftnahme zu begründen. Auch Widerstand ist kein ausreichender Grund.

In Baden-Württemberg gelten „Nachtzeitverfügungen“, die die Betroffenen verpflichten, zu bestimmten Zeiten in ihrer Unterkunft zu sein. Bei Verstößen wird ebenfalls die Frist verlängert oder Haft geprüft.

NRW will gescheiterte Abschiebung aufklären

Ähnlich wie es beim Solingen-Attentäter der Fall war, werden in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern Maßnahmen abgebrochen, wenn die Person nicht angetroffen wird oder Widerstand leistet. Abschiebehaft kommt nur bei „Fluchtgefahr“ oder „besonderer Gefährlichkeit“ in Betracht. Selbes gilt für Thüringen, Berlin und Hamburg.

Wenn eine Abschiebung in Hessen aufgrund Untertauchens oder Widerstand scheitert, kann die Person zur Fahndung ausgeschrieben und Abschiebehaft beantragt werden. Innenminister Roman Poseck (54, CDU) zu BILD: „Wir dürfen uns nicht an der Nase herumführen lassen. Abschiebehaft muss häufiger, schneller und konsequenter verhängt werden.“ Brandenburg ließ eine BILD-Anfrage unbeantwortet.

Nordrhein-Westfalen, das für die gescheiterte Rückführung al Hasans verantwortlich war, will gegenüber BILD nicht auf Detailfragen eingehen. Eine Sprecherin versichert, dass man die Hintergründe „mit aller gebotenen Dringlichkeit und notwendiger Gründlichkeit und Konsequenz“ durchleuchte.

► Was in allen Bundesländern gilt: Die Möglichkeit der Abschiebehaft hängt stark vom Ziel der Rückführung ab. Innerhalb der EU (wie bei al Hasan) wird sie selten verhängt, da die Fluchtgefahr schwerer nachgewiesen werden kann.