Er ist nur ein „Noch-Kanzler“ – und schon nimmt sich Putin Zeit für ein Telefonat mit ihm!

Fast zwei Jahre nach ihrem letzten Ferngespräch telefonierte Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) am Freitag wieder mit Kreml-Diktator Wladimir Putin (71).

Ausgerechnet jetzt? Der Zeitpunkt überrascht auf den ersten Blick, da Scholz als Kanzler keine Mehrheit mehr hat und dadurch ziemlich machtlos ist. Wahr ist aber: Das Gespräch stand schon vorher fest.

Am 1. Oktober hatte Scholz angekündigt, wieder mit Putin telefonieren zu wollen – und ihm damit öffentlich in die Hände gespielt. „Das hat Putin die Macht gegeben, zu entscheiden, wann das Telefonat stattfindet“, erklärt Sicherheits-Experte Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz BILD.

Gespräch wertet Scholz auf

Tatsächlich: Einen Tag später erteilte der Kreml Scholz eine Abfuhr via Sprecher Dmitri Peskow. „Es gibt es keine gemeinsamen Themen (für ein Gespräch)“, sagte er, „unsere Beziehungen wurden faktisch auf den Nullpunkt geführt, und zwar nicht auf unsere Initiative hin.“

Kurz danach erklärte Putin, doch mit Scholz sprechen zu wollen.

Das Putin-Scholz-Gespräch war auch vor dem Ampel-Aus mit den Partnern im Quad-Format abgesprochen, als am 18. Oktober US-Präsident Joe Biden (81), Großbritannien-Premier Keir Starmer (62) und Frankreich-Präsident Emmanuel Macron (46) zu Besuch in Berlin waren. Auch Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj (46) war informiert.

Putin brauchte keinen Übersetzer

Ziel des Gesprächs: Scholz sollte nach der US-Wahl, aber vor dem G-20-Treffen in Rio de Janeiro (18.–19. November) vorfühlen, ob Putin nicht doch bereit sei, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.

Heute erklärte das Kanzleramt: „Der Bundeskanzler drängte auf eine Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen mit der Ukraine“, hieß es in der Mitteilung des Bundespresseamts. Ziel sei ein „gerechter und dauerhafter Frieden“.

Übrigens: Scholz hat mit Putin Deutsch gesprochen, eine Übersetzung ist da nicht nötig, da Putin sehr gut Deutsch versteht. Der Kreml-Chef antwortete aber auf Russisch, und das wurde dann für Scholz übersetzt. Der Kanzler versteht gar kein Russisch – anders als seine Vorgängerin Angela Merkel (70), die es als Ostdeutsche in der Schule gelernt hatte.

Und was hat Putin von dem Telefonat?

In Deutschland beginnt der Wahlkampf … Und sowohl Scholz als auch Putin bzw. seinen Freunden im Bundestag könnte es nützen.

Politik-Professor Thomas Jäger (Uni Köln) zu BILD: „Zwei bis drei Parteien in Deutschland werden sagen, dass man mit Putin reden muss. Dieses Telefonat wäre dann eine Art Beweis, nach dem Motto: ,Seht her, geht doch!‘“ Nico Lange erklärt: „Putin will vor allem die Demokratie an sich schädigen und immer neue Sprechpunkte für BSW, AfD und Russlandfreunde in der SPD liefern.“

ABER: Dass etwas Seriöses bei diesem Telefonat herauskommt, ist nicht zu erwarten, erklärt Jäger: „Reden ist für Putin nur eine weitere Taktik. Selbst wenn er plötzlich an einer Friedenskonferenz teilnehmen wollte – was nicht zu erwarten ist – würde er das nicht über Scholz verkünden lassen. Der hat ihm nichts zu bieten, ebenso wenig wie die andere lahme Ente in den USA: Joe Biden.“

Das besprach Scholz mit Trump über die Ukraine

Im SZ-Interview erklärte Scholz, warum er weiter Gespräche mit Putin für richtig hält. „Ich bin nicht sicher, ob Spekulationen über das, was im Kopf Putins vorgeht, uns weiterführen. Wir werden es rausfinden müssen – auch indem wir mit ihm darüber sprechen.“

Außerdem sagte der Kanzler, was er aus einem Telefonat mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump (78) mitnimmt. „Es wäre unangemessen, aus diesem Gespräch Details zu schildern, aber ich habe doch den Eindruck gewonnen, dass er eine differenziertere Position hat als hierzulande oft angenommen wird.“ Auf Nachfrage sagte er, er habe in dem Gespräch „zumindest keine Hinweise“ dafür gesehen, dass Trump an einem Deal mit Putin über den Kopf der Ukraine hinweg arbeite.

Selenskyj reagiert verärgert

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew stieß das Telefonat auf Kritik: „Der Anruf von Olaf öffnet meiner Meinung nach die Büchse der Pandora“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Nachdruck in seiner abendlichen Videobotschaft. Berlin habe Kiew zwar vorab informiert, aber damit seien nun weitere Gespräche ermöglicht worden.

Scholz habe mit seinem Anruf Putins langgehegten Wunsch erfüllt, Russlands Isolation zu verringern und mit Gesprächen zu beginnen, die zu nichts führen werden. Putin habe dies jahrzehntelang so gemacht, sagte Selenskyj. „Das hat es Russland erlaubt, nichts an seiner Politik zu ändern, im Grunde nichts zu tun, und das führte gerade zu diesem Krieg.“