Der Appetit der zweitgrößten italienischen Bank Unicredit auf die deutsche Commerzbank erscheint ungezügelt. Die Italiener sagen, dass sie nun rund 21 Prozent am Kapital der Commerzbank besitzen. Damit hätte Unicredit den deutschen Staat, der derzeit noch zwölf Prozent an der Commerzbank hält, als größten einzelnen Anteilseigner abgelöst.

Das sorgt jetzt für heftigen Zoff und Schuldzuweisungen in der Politik!

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (52, CDU) warnt vor einem Verlust der Commerzbank und macht die Bundesregierung für die aktuelle Entwicklung mitverantwortlich. „Die Bundesregierung hat mit dem unkoordinierten Verkauf der Anteile des Bundes diesem strategischen Investment geradezu fahrlässig den Weg bereitet“, sagte er dem „Handelsblatt“.

Damit habe der Bund „einen zentralen Finanzierer des deutschen Mittelstands den Interessen einer ausländischen Bank ausgeliefert“, urteilt Rhein schonungslos.

Hessens Ministerpräsident sagte dem „Handelsblatt“ weiter, er verstehe das Verhalten der Unicredit als Signal, dass diese „in großem Stil bei der Commerzbank einsteigen“ wolle. „Wir dürfen einen Ausverkauf unserer Flaggschiffe nicht zulassen“, mahnte er. Von einem souveränen Finanzplatz Frankfurt profitiere die ganze deutsche Wirtschaft.

Boris Rhein: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung endlich handelt und sich gemeinsam mit uns für einen starken Finanz- und Wirtschaftsstandort einsetzt.“

Ein Angriff auch auf Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD)! Der hatte am Montag empört auf die Unicredit-Käufe reagiert und gesagt, die Bundesregierung halte es „nicht für ein angemessenes Vorgehen in Europa“, sich „ohne jede Kooperation, ohne jede Rücksprache“ an Unternehmen zu beteiligen. Da waren die Commerzbank-Anteile aber nun mal schon weg.

Bundesregierung wurde kalt erwischt

Der Bund war im Zuge der Finanzkrise 2008 zur Rettung bei der Commerzbank eingestiegen, wollte seine Anteile verkaufen. Die Unicredit überraschte vor knapp zwei Wochen die Märkte – und hatte offenbar auch die Bundesregierung kalt erwischt – indem sie für 702 Millionen Euro die ersten 4,5 Prozent erwarb, die der deutsche Staat zum Verkauf gestellt hatte. Mit weiteren Anteilskäufen erhöhten die Italiener ihre Anteile weiter auf neun, dann auf rund 21 Prozent.

Damit nicht genug beantragte Unicredit nach eigenen Angaben bei der Europäischen Zentralbank, dass sie ihren Anteil an der Commerzbank auf 29,9 Prozent weiter erhöhen kann.

Mitarbeiter demonstrieren für ihre Jobs

Am Dienstag fand eine Kundgebung vor der Frankfurter Zentrale der Commerzbank statt, zu der die Gewerkschaft Ver.di und der Gesamtbetriebsrat geladen hatten.

„Die Bundesregierung muss die Commerzbank zum Teil der kritischen Infrastruktur in Deutschland erklären“, sagt Stefan Wittmann (54) von der Ver.di-Bundesfachgruppe Bankgewerbe. Denn die Bank habe eine entscheidende Rolle für die Finanzierung des deutschen Mittelstands.

„Eine Übernahme würde die Commerzbank zerstören“, warnt Wittmann.

Eine Commerzbank-Mitarbeiterin macht ihrem Frust Luft, sagt zu BILD: „Lasst uns Unicredit-Chef Orcel Hosenträger schicken, dann ist er endgültig wie Gordon Gekko!“ Gekko ist der von Michael Douglas gespielte skrupellose Finanzhai aus dem Film „Wall Street“.

Laut Gesamtbetriebsrat droht ein Verlust von zwei Dritteln der Arbeitsplätze. Ende Juni zählte die Commerzbank weltweit 38 700 Vollzeitstellen, davon mehr als 25 000 in Deutschland.