Vor stark gelichteten Reihen fordert Guterres, Flugreisen und Schifffahrt zu verteuern

UN-Generalsekretär António Guterres hat die reichen Länder dazu aufgefordert, angesichts häufiger Wetterkatastrophen „Klimagerechtigkeit“ walten zu lassen. „Die Reichen verursachen das Problem, die Armen zahlen den höchsten Preis“, sagte Guterres auf der Weltklimakonferenz in Baku. Bis 2030, also in fünf Jahren, müsse der Verbrauch fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas auf der Welt um 30 Prozent sinken.

Die Vereinten Nationen hatten im vergangenen Jahr auf der Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten beschlossen, die Abkehr von fossilen Brennstoffen einzuleiten. In der Hauptstadt Aserbaidschans geht es in diesem Jahr darum, zugleich neue Finanzhilfen für die Entwicklungsländer massiv aufzustocken.

Guterres band beide Ansprüche zusammen: Die Regierungschefs sollten „die Luft- und Schifffahrt mit Abgaben belegen, ebenso die Förderung fossiler Energien.“ Die Einnahmen sollten helfen, die Klimafinanzierung der Entwicklungsländer aufzustocken.

Der Luftverkehr hat nach Branchenangaben einen Anteil von 3,06 Prozent an den weltweiten CO₂-Emissionen. Berücksichtigt man alle Klimaeffekte, liegt der Anteil bei rund fünf Prozent. Im europäischen Wirtschaftsraum zahlen Fluggesellschaften bereits für CO₂-Berechtigungen im Emissionshandel.

Auf UN-Ebene gilt seit 2016 das CO₂-Kompensationssystem CORSIA. Fluggesellschaften müssen dafür ihre wachstumsbedingten CO₂-Emissionen über Einsparungen in zertifizierten Klimaschutzprojekten außerhalb des Luftfahrtsektors ausgleichen. Rund 80 Staaten haben sich dem freiwilligen CORSIA-System bereits angeschlossen. Guterres fordert nun offenbar, nicht nur die wachstumsbedingten Emissionen mit Abgaben zu belegen, sondern alle.

Bei seiner Rede vor dem „World Leaders Global Action Summit“ im Olympiastadion von Baku blickte Guterres allerdings auf stark gelichtete Reihen: Zahlreiche wichtige Staatschefs waren dem Treffen der Staats- und Regierungschefs ferngeblieben. Nach einer Übersicht des Fachportals „Climate home“ gab es 23 Absagen.

Die Länder mit den größten Emissionen schickten nur Vertreter

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanadas Justin Trudeau kommen in diesem Jahr nicht auf die Weltklimakonferenz. Die Länder mit den größten CO₂-Emissionen schickten nur die zweite Reihe ans Kaspische Meer: Der scheidende US-Präsident Joe Biden bleibt dem Treffen ebenso fern wie Indiens Premierminister Narendra Modi, Chinas Staatschef Xi Jinping, Russlands Präsident Wladimir Putin und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman.

Viele Entwicklungsländer, die in Baku Billionen-Transfers der Industrienationen einfordern wie Kenia oder Kolumbien, schickten nicht ihre erste Garde nach Aserbaidschan. Erstmals vertreten auf einer Weltklimakonferenz sind allerdings die afghanischen Taliban.

Die EU wird von Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, repräsentiert. Zu den Vertretern der europäischen Staaten gehörten Polens Präsident Andrzej Duda, Pedro Sánchez aus Spanien, sowie die Premierminister aus Ungarn, Dänemark und Belgien, Viktor Orbán, Mette Frederiksen und Alexander De Croo. Aus Großbritannien reiste Premier Keir Starmer an.

Biden schickte seinen Berater für Klimapolitik, John Podesta nach Baku. Podesta betonte, dass der Klimaschutz der USA mit der Wahl des Republikaners Donald Trump nicht zu Ende sei. Der „Inflation Reduction Act“ (IRA), das unter Biden aufgelegte milliardenschwere Subventionsprogramm für saubere Energien, werde weiterhin wirken und die CO₂-Emissionen der USA reduzieren. „Gerade weil der IRA über einen langen Atem verfügt, bin ich zuversichtlich, dass die Vereinigten Staaten ihre Emissionen weiter reduzieren werden, was unserem eigenen Land und der Welt zugutekommt.“

Der designierte US-Präsident Trump hatte den Klimawandel einen „Betrug“ genannt. Es wird erwartet, dass die USA nicht nur aus dem Pariser Klimaabkommen, sondern auch aus dem Klimasekretariat der Vereinten Nationen, UNFCCC aussteigen. Trump hat mit der Parole „drill baby, drill“ bereits die Ausweitung der Erdöl- und Gasproduktion in den USA angekündigt.

Allerdings war die Ölproduktion der USA bereits unter Joe Biden im vergangenen Jahr auf Rekordwerte gestiegen. Trump hatte in seiner ersten Amtszeit ab 2017 bereits angekündigt, den „Krieg gegen die Kohle“ beenden zu wollen, dem fossilen Energieträger also zu einer Renaissance zu verhelfen. Dies geschah allerdings nicht, da sich Kohle am Markt nicht durchsetzen konnte. Die Kohleproduktion der USA sank auch unter Trump.

In Baku beobachten Nichtregierungsorganisationen die Worte und Taten der Regierungschefs mit Argus-Augen. Sie verweisen darauf, dass trotz der jährlichen „Sonntagsreden“ auf den Klimakonferenzen die CO₂-Emissionen der Welt immer noch weiter steigen. Sultan Al Jaber, der Präsident der letztjährigen Weltklimakonferenz von Dubai, redete seinem Nachfolger Muchtar Babajew in Baku auf offener Bühne ins Gewissen: „Wir sind, was wir tun, nicht was wir sagen.“ Allerdings hat auch der von Al Jaber geleitete Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi seine Produktionskapazitäten jüngst weiter erhöht.

Auch der Energiekonzern Aserbaidschans, SOCAR, hat seine Produktion fossiler Brennstoffe zuletzt gesteigert. Das Erdgas aus den riesigen Feldern Shah Deniz und Absheron unter dem Kaspischen Meer ist zum großen Teil für Verbraucher in Europa gedacht. Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev hatte im vergangenen Jahr angekündigt, die Erdgas-Exporte nach Europa bis 2027 zu verdoppeln, um die weggefallenen Gaslieferungen aus Russland zu ersetzen.

Das „Land des Feuers“, wie sich Aserbaidschan nennt, ist auch Sitz der „Höheren Ölschule Baku“, einer auf Ölförderung spezialisierten internationalen Universität mit 81 Lehrkräften, die aktuell 1102 Studenten, darunter 236 Stipendiaten des Präsidenten ausbildet. Öl-Staaten wie Dubai und Aserbaidschan argumentieren auf Klimakonferenzen regelmäßig, sie wollten die CO₂-Sparziele von Paris erreichen. Doch müsse die grüne Transformation „auf geordnete Weise“ erfolgen:

Ein sofortiger Produktionsstopp von Öl und Gas würde demnach weltweit schnell zu Versorgungsengpässen und Inflation mit unabsehbaren politischen und sozialen Folgen führen. Auch mehrere internationale Ölkonzerne wie etwa BP hatten zuletzt mit diesem Argument ihre Produktionsziele für Öl und Gas wieder erhöht.

Der aserbaidschanische Staatschef holt hier richtig aus: Ilham Aliyev hat in einer Rede auf der UN-Klimakonferenz zu einem Rundumschlag gegen westliche Medien und Umweltorganisationen ausgeholt und ihnen eine gezielte Verleumdungskampagne gegen sein Land vorgeworfen. Aserbaidschan einen „Petro-Staat“ zu nennen, zeuge von mangelndem politischem Wissen und politischer Kultur, sagte der 62-Jährige, der die Ex-Sowjetrepublik seit fast 20 Jahren mit eisenharter Hand regiert. Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) besagen jedoch, dass Öl und Gas rund 90 Prozent der Exporte des Landes ausmachen.

Zugleich wiederholte der Präsident sein umstrittenes Zitat, dass die Öl- und Gasvorkommen in Aserbaidschan ein „Geschenk Gottes“ sind. „Keinem Land sollte vorgehalten werden, sie zu haben und sie auf den Markt zu bringen. Denn der Markt braucht sie, die Menschen brauchen sie.“

Daniel Wetzel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Energiewirtschaft, Energiepolitik, Klimapolitik und Tourismuswirtschaft.