Es ist ein schwerwiegender Streitpunkt auf der Zielgeraden des Wahlkampfs: Soll Deutschland Friedenstruppen in die Ukraine entsenden, wenn es zu einem Friedensvertrag kommt?
Während in Riad Vertreter Russlands und der USA ohne europäische Staatenlenker am Verhandlungstisch saßen, um die Möglichkeit eines solchen Vertrages zu sondieren, hat Schweden bereits Truppen zugesagt. Auch Briten-Premier Keir Starmer (62) stellte die Entsendung britischer Soldaten zur Sicherung eines „dauerhaften Friedensabkommens“ in Aussicht. Und in Frankreich denkt man ebenfalls darüber nach.
In Deutschland aber herrscht Wahlkampf, da kommt das heikle Thema offenbar wenig gelegen. BILD fragte deshalb bei den Spitzenkandidaten nach.
„Völlig falscher Zeitpunkt“
► Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) verwies auf seine Äußerungen am Rande des eilig einberufenen EU-Gipfels zur Zukunft der Ukraine, wonach die Debatte über eine Entsendung von Soldaten „völlig verfrüht“ sei. Es sei der „völlig falsche Zeitpunkt, diese Diskussion jetzt zu führen“. „Ich bin sogar ein wenig irritiert über diese Debatten“. Das sei „höchst unangemessen“.
„Nur mit völkerrechtlichem Mandat“
▶︎ Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (69, CDU) wollte sich aktuell nicht äußern. Er ließ auf frühere Stellungnahmen verweisen. Tatsächlich hatte er bereits vor Wochen für eine deutsche Beteiligung an einer Ukraine-Friedenstruppe ein völkerrechtliches Mandat gefordert – dann möglichst im Konsens mit Moskau.
„Nicht auf der Tagesordnung“
▶︎ Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck (55) argumentierte ähnlich wie Scholz, sagte BILD: „Diese Frage ist jetzt überhaupt nicht auf der Tagesordnung. Es ist völlig klar, dass wir keine deutschen Soldaten in einen Krieg schicken werden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine muss enden, darum geht es jetzt.“
„Desolater Zustand“
▶︎ AfD-Chefin Alice Weidel (46) sagte BILD: „Deutschland wird unter einer Bundesregierung mit AfD-Beteiligung keine deutschen Soldaten in die Ukraine entsenden. Wir dürfen uns nicht der Gefahr aussetzen, bei einer erneuten Eskalation in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineingezogen zu werden.“ Zudem sei die Bundeswehr in einem „desolaten Zustand“.
Deutsche gespalten
Fast alle Kandidaten versuchen also, das Thema vor der Wahl kleinzuhalten. Zu groß ist offenbar die Angst, durch eine klare Positionierung auf den letzten Metern noch Stimmen zu verlieren.
Aber: Ist die Angst möglicherweise unberechtigt? Fakt ist: Eine knappe Mehrheit der Deutschen ist sogar dafür, dass sich die Bundeswehr an einer möglichen Friedenstruppe zur Überwachung eines Waffenstillstands in der Ukraine beteiligt. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des „Stern“ sprechen sich 49 Prozent für einen solchen Einsatz aus, 44 Prozent stimmen dagegen.