Von Donald Trump lasse man sich nicht einschüchtern. Seit Tagen schon verbreiten russische Propagandisten in den Staatsmedien und regierungsnahe Experten diese Botschaft für die heimische und weltweite Öffentlichkeit. Dennoch war die Stimmung in Moskau am Montag nervös. Schließlich hatte der US-Präsident „eine Überraschung“ angekündigt. Russische Militärexperten sezierten Berichte von US-Medien, wonach Trump Waffen freigeben könnte, die Russlands Hauptstadt erreichen würden. Margarita Simonjan, die langjährige Chefin der Propaganda-Holding , drohte für diesen Fall schon mal prophylaktisch mit einem russischen „Atom-Ultimatum“, zu dem „all das“ führen werde.
Umso größer ist nun die Erleichterung über Trumps tatsächliche Ankündigungen. Denn seine angebliche neue Härte gegenüber Russland ist weit weniger hart, als die Machthaber in Moskau befürchtet hatten. „Alles halb so wild“, kommentierte noch am Abend die Boulevardzeitung , von der Wladimir Putin sagt, er lese sie regelmäßig. Trumps „kritische Äußerungen“ in Richtung des russischen Präsidenten hätten sich im Rahmen gehalten, urteilte das Blatt. Das wiederum lasse Raum für Gespräche.
Wichtiger als die Form dürfte aus russischer Perspektive der Inhalt der Ankündigungen gewesen sein. Von Waffen, die weit auf russisches Territorium reichen können, war keine Rede, zumindest nicht öffentlich. Für die ein Indiz dafür, dass Trump entweder nichts dergleichen liefern oder wenigstens die Tür für Verhandlungen mit Putin offen halten wolle. Die angekündigte Lieferung von weiteren Staffeln des Luftabwehrsystems Patriot ist aus russischer Sicht kein allzu großes Problem. Bis die ersten Systeme in der Ukraine ankommen, dürften Monate vergehen, während die russischen Angriffe schon jetzt immer neue Dimensionen erreichen. Trumps 50-Tage-Aufschub für Strafzölle gegen Russlands Handelspartner, allen voran China, stützte die Aktienkurse an der Moskauer Börse sogar. Parallel zu Trumps Auftritt in Washington, D. C. legte der Index zwischenzeitlich 2,6 Prozent zu.
Unterstützung aus China
Als einer der ersten Offiziellen in Russland reagierte am Dienstag Putins Scharfmacher und Vizechef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew. Trumps 50-Tage-Frist bezeichnete er als ein „theatralisches Ultimatum“, um das sich Russland „nicht zu kümmern brauche“. Etwas später schaltete sich auch das Außenministerium in Moskau dazu. Alle Versuche, Russland Bedingungen zu diktieren oder gar Ultimaten zu setzen, seien „inakzeptabel“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Sein Chef und Außenminister Sergej Lawrow ließ sich derweil in China von Staatschef Xi Jinping den Rückhalt versichern. Russland und China, sagte Xi während des Treffens, sollten die gegenseitige Unterstützung verstärken. Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking kritisierte derweil Trumps Sanktionsdrohung: China lehne entschieden „alle illegalen einseitigen Sanktionen und extraterritoriale Rechtsprechung ab“.
Solche unterstützenden Worte aus China dürften den russischen Präsidenten weiter darin bestärken, in Trumps Drohungen keine unmittelbare Gefahr zu sehen. Putin selbst hielt es bislang jedenfalls nicht für nötig, dessen Auftritt persönlich zu kommentieren. In einem Briefing am Dienstag erklärte Sprecher Dmitri Peskow, man brauche noch Zeit, um „Trumps Aussagen zu analysieren“.
Die Analyse dürfte jedoch nicht allzu aufwendig werden. Was Trump über Putin persönlich sagt, kann dem russischen Präsidenten relativ gleichgültig sein. Dass Europa nun die Finanzierung und auch die Bestellung neuer Waffensysteme für die Ukraine übernimmt, ist schon eher relevant. Denn damit hat Putin sein Ziel verfehlt, Trump aus der Allianz der Ukraine-Unterstützer herauszulösen. Es ist aber auch nicht das schlechteste Szenario für Russland. In den dreieinhalb Jahren Krieg haben es europäische Regierungen immer wieder geschafft, Hilfen für die Ukraine hinauszuzögern und längst getätigte Versprechen zu brechen. Auch die 50-Tage-Frist könnte Putin als eine Einladung für eine noch härter geführte Offensive in der Ostukraine und noch umfangreichere Angriffe aus der Luft verstehen.
Offensive nimmt Fahrt auf
Ohnehin wird der russische Vormarsch im Donbass von Woche zu Woche schneller. Im laufenden Monat könnten etwa 700 bis 800 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums an die Invasoren fallen. So viel wie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr. In der ukrainischen Verteidigung werden einige Schwachstellen deutlich, etwa rund um die Stadt Pokrowsk und auch südlich von Konstantyniwka, beides wichtige Orte für die gesamte Front im Donbass. Zwar erwarten die meisten Experten und Militäranalytiker keinen russischen Durchbruch oder gar einen Kollaps der gesamten Frontlinie. Klar ist dennoch, dass die russische Offensive ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Die Verhandlungsposition der Ukraine dürfte sich in den kommenden Wochen weiter verschlechtern. Russland hat also durchaus einen Anreiz bekommen, die Angriffe weiter zu verstärken.
Genau das klingt auch in den Äußerungen russischer Offizieller an, etwa des Moskauer Außenpolitikers und Vizechefs des russischen Föderationsrats Konstantin Kossatschow. In 50 Tagen könne sich auf dem Schlachtfeld vieles ändern, schrieb er in seiner offiziellen Gruppe auf Telegram. „Das Gleiche gilt auch für die Stimmung der Machthaber in den USA.“