So wie sie will eigentlich jeder einmal dichten. Voller Leichtigkeit, Traurigkeit und Ironie. Eine Großstadtdichterin war sie, Mascha Kaléko, eine Meisterin des lyrischen Parlandos. Zu ihrem fünfzigsten Todestag im kommenden Jahr besorgte der Schriftsteller Daniel Kehlmann nun eine Auswahl von Gedichten und Texten und hat sie mit einem Vorwort versehen. Kehlmann nennt Kaléko die „undeutscheste deutsche Dichterin“ – und das war sie, ein Rätsel, eine leuchtende Ausnahme.
Mascha Kaléko war „undeutsch“, weil sie in jener Tradition stand, die ihre Tiefe nicht aus der gedankenschweren Metaphysik, sondern aus dem Beiläufigen und Alltäglichen bezog. Heinrich Heine fällt einem ein oder Joachim Ringelnatz, Erich Kästner. Aber wozu die ewigen Vergleiche mit den Großdichterkollegen, wo sie doch selbst eine der Größten war.
„Deutsch“ hingegen war sie, weil sie nach 1933 das tragische Schicksal so vieler jüdischer Künstler teilte, die Berlin in den goldenen Jahren der Weimarer Republik zum Nabel der Welt gemacht hatten. Kaléko bekam Publikationsverbot, sie musste bald darauf fliehen, die Familie schaffte es nach New York. Später, Ende der Fünfzigerjahre, ging sie nach Jerusalem.
Mascha Kaléko wollte zuletzt wieder zurück nach Berlin, sie fühlte sich hin- und hergeworfen, heimatlos. Und tatsächlich gibt es in der Auswahl der Prosatexte eine andere Kaléko zu entdecken – nicht nur die melancholisch singende, sondern eine klagende Dichterin. Nach dem Besuch eines Dokumentarfilms über die Nürnberger Prozesse will sie den Kinogängern auf dem Berliner Kurfürstendamm am liebsten zurufen: „Seht euch an, was der Mensch dem Menschen angetan hat. Reißt das Heftpflaster der Bequemlichkeit herunter, und lasst die Wunde rein ausbluten, – sonst heilt sie nie.“
Kaléko wurde nie wieder die, die sie gewesen war. Das Lebensgefühl, die Leichtigkeit waren weg. Ihrer Popularität hat das keinen Abbruch getan – bis heute. gehört zu den Gedichtbüchern, die jeder im Bücherschrank haben sollte, egal, wie viel er mit Lyrik anfangen kann. Und wer das schon hat, kann sich jetzt auf diese neue Kaléko-Auswahl freuen.