Verblüffend oder völlig überteuert? Das bekommen Falt-Handy-Fans für 1899 Euro

Wer am ersten Falt-Smartphone von Google vor einem Jahr Gefallen fand, weil es das Format eines Reisepasses hatte, wird vom neuen Pixel 9 Pro Fold wohl etwas enttäuscht sein. Doch dafür gibt es eigentlich keinen Grund. Google hat die Form zwar etwas zurechtgerückt. Das neue Modell sieht nun aus wie ein normales Smartphone. Es ist etwas länger als der Vorgänger, aber immer noch proportionaler als der lang gezogene Konkurrent Galaxy Z Fold6 von Samsung. Mit 10,5 Millimeter nähert es sich sogar schon fast der Dicke eines normalen Smartphones an.

Nur knapp über einem Zentimeter – das hätte vor einem Jahr vielleicht noch Begeisterung hervorgerufen. Doch inzwischen hängt die Latte etwas höher. Honor hat auf der IFA sein Falt-Handy Magic V3 vorgestellt, das nur 9,2 Millimeter dick ist. Trotzdem zeigte das Pixel 9 Pro Fold im Test, dass es sich wie ein ganz normales Smartphone anfühlt. Die meiste Zeit haben wir es mit seinem Außendisplay auch so genutzt.

Doch ist es einmal aufgeklappt, ändert sich alles. Das Scharnier ist nun deutlich leichtgängiger als beim Vorgänger-Modell. Und plötzlich wird das Fold zum Tablet, und zwar mit acht Zoll (20,3 Zentimeter) auch noch merklich größer als bisher. Die Displays, sowohl außen als auch innen, sind tadellos.

Sie stellen Farben lebendig dar und sind mit 1800 Nits (außen) und 1700 Nits (innen) so hell, dass sich auch bei Sonnenlicht noch alles gut erkennen lässt. In der Spitze schaffen sie sogar 2700 Nits.

Wir hätten uns aber gewünscht, dass Google mit dem großen Display etwas mehr anstellt. Natürlich eignet es sich bestens zum Videos schauen. Aber weil es annähernd quadratisch ist, nehmen dicke schwarze Streifen oben und unten ordentlich Fläche weg, sodass der Film im Grunde nur unwesentlich größer dargestellt wird, als von anderen Max- und Plus-Modellen im Markt.

Auch Fotos lassen sich auf dem großen Innendisplay besser betrachten. Im Internet surfen und Zeitung lesen funktioniert hervorragend. Doch für das professionelle Arbeiten bietet Google auf dem großen Display nur einen Splitscreen an, sodass zwei Anwendungen nebeneinander laufen. Frei verschiebbar sind die Fenster jedoch nicht. Da geht eigentlich noch mehr. Honor macht das besser.

Selfie mit der Hauptkamera für bessere Ergebnisse

Ganz ideenlos ist Google aber nicht geblieben. Einige Anwendungen, beispielsweise YouTube und Zoom, teilen sich in ein Steuerungs- und einen Darstellungsbereich, wenn das Gerät nur um 90 Grad aufgeklappt wird. Und natürlich kann das Fold ein Selfie mit der Hauptkamera machen, wenn es aufgeklappt ist. Das Ergebnis ist deutlich besser als mit den Selfie-Kameras, die in den Displays untergebracht sind.

Etwas gruselig ist die Funktion „Blickfang“, mit der Kinder dazu gebracht werden sollen, in Richtung Kamera zu schauen. Das ihnen zugewandte Display zeigt dafür eine lustige Animation an. Man fühlt sich dabei ein wenig wie der Rattenfänger von Hameln.

Es gibt aber noch eine weitere Anwendung, die Google speziell für das Fold angepasst hat: den Übersetzer. Wer also im Ausland ist und die Sprache nicht spricht, tippt seine Worte einfach in das aufgeklappte Smartphone. Die Übersetzung wird dann auf dem Außendisplay angezeigt, sodass der Gesprächspartner sie direkt lesen kann.

An den Kameras gibt es kaum etwas auszusetzen, auch wenn sie von ihren Spezifikationen etwas hinter dem Pixel 9 Pro her hinken. Aber das ist in der Praxis kaum zu bemerken. Auf der Rückseite gibt es ein Weitwinkel- mit 48 Megapixeln, ein Ultraweitwinkel- mit 10,5 Megapixeln und ein Telefotoobjektiv mit 10,8 Megapixeln.

Wegen der geringen Bauhöhe hat Google weniger große Sensoren verbaut als in seinem eigentlichen Pro-Modell. Im Grunde hätte man den Pro-Zusatz beim Fold daher auch weglassen können. Das wäre aber wohl für das Marketing schlecht gewesen.

Die Stärke von Google ist seit jeher, mithilfe von Software und künstlicher Intelligenz mehr aus seinen Kameras herauszuholen. Das gelingt bei dem Pixel Fold auch hervorragend. Bilder und Videos haben eine sehr hohe Qualität. Das Teleobjektiv schafft optisch einen Fünffach-Zoom. Der Zauber kommt aber mit den KI-Tricks auf dem Gerät.

Besonders gut hat uns die Zoom-Optimierung gefallen, bei der in Fotos ein Ausschnitt gewählt werden kann, der dann – wie man es aus Spionage-Filmen kennt – von der Software deutlich verbessert wird. Unscharfe Gesichter oder Schriften sind dann plötzlich gut zu erkennen.

Auch der magische Editor ist verblüffend. Hier wählt der Nutzer einen Teil des Bildes aus und kann ihn neu gestalten, indem er über die Tastatur eine Beschreibung dafür eintippt. Eine Betonfläche wird dann zur grünen Wiese. Dass dies zu bedenklichen Ergebnissen führen kann, weiß auch Google. So lassen sich beispielsweise Personen nicht verändern, aber zumindest hinzufügen.

Nicht alle KI-Tricks in Deutschland verfügbar

Die Funktion in der Kamera-App heißt „Mich hinzufügen“. Auf diese Weise entsteht ein Gruppenselfie in mehreren Schritten. Erst wird eine Person fotografiert, anschließend wechseln sich Fotograf und Objekt ab, sodass am Ende beide Personen auf dem Bild sind. Wie lang das alles am Ende noch Foto genannt werden kann, bleibt hier einmal dahingestellt.

Auf einige KI-Tricks müssen Nutzer in Deutschland leider noch verzichten. So lässt sich der Satelliten-Notruf per Nachricht im Funkloch derzeit nur in den USA nutzen. Auch die Screenshot-App, bei der Nutzer in ihrer Sammlung von Bildschirmaufnahmen im Volltext nach Inhalten suchen können, gibt es vorerst nur auf Englisch.

Die Anwendung Pixel Studio, in der Bilder mit Textbefehlen erstellt werden, ist hierzulande auch nicht verfügbar. Käufer eines beliebigen Pixel-9-Modells bekommen für ein Jahr das Abonnement von Gemini Advanced mit zwei Terabyte Cloudspeicher dazu. Interessant ist hier der Chatbot Gemini live, mit dem man ziemlich normal sprechen kann.

Zwar ist die Funktion offiziell in Deutsch noch nicht verfügbar. Wer aber als erste Sprache in den Chatbot-Einstellungen Englisch wählt und Deutsch als Zweitsprache einstellt, kann ihn auch auf Deutsch verwenden. Im Test funktionierte das sehr gut, man kann Gemini Advanced sogar ins Wort fallen.

Fazit: Google hat mit dem Pixel 9 Pro Fold eine sehr gute zweite Generation seines Falt-Smartphones vorgelegt. Insbesondere die Kameras und ihre KI-Funktionen haben im Test überzeugt. Zwar liegt der verbaute Tensor-G4-Chip in der Grafikleistung hinter Konkurrenten wie dem iPhone 15 Pro und dem Samsung Galaxy S24 zurück. Doch im Alltag merkt man davon überhaupt nichts.

Der Akku ist mit 4650 Milliamperestunden zwar knapp bemessen, hält aber trotzdem einen vollen Tag durch. Das Fold lässt sich auch drahtlos laden. Google verspricht für seine neuen Pixel-Smartphones sieben Jahre Android- und Sicherheits-Updates.

Offenbar ist Android 15 nicht rechtzeitig für das Pixel Fold fertig geworden, das Gerät wird mit Android 14 ausgeliefert. Die nächste Version wird es dann wohl schon im Oktober geben. Leider hat es Google mit seinem Falt-Smartphone nicht in einen Preisbereich geschafft, der einen Massenmarkt verspricht. Das Gerät kostet in der kleinsten 256-Gigabyte-Speichervariante 1899 Euro.

Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.