Ein Bericht der legendären amerikanischen TV-Sendung „60 Minutes“ (CBS News) über Deutschland sorgt weltweit für Fassungslosigkeit – und wird zum Politikum. Thema: Meinungsfreiheit und (übergriffige) Behörden.
Für ihren Film begleiteten die US-Reporter in Niedersachsen den sogenannten „Aktionstag gegen Hasskriminalität im Netz“. Sie waren live dabei, als Polizei und Staatsanwaltschaft frühmorgens Wohnungen durchsuchten und Handys sowie Laptops beschlagnahmten.
Veranlasst hatten das u. a. die Protagonisten der Reportage: drei Staatsanwälte der „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet – Niedersachsen“ (ZHIN).
Dr. Matthäus Fink, Svenja Meininghaus und Frank-Michael Laue geben den Amerikanern bereitwillig Auskunft darüber, wie weit nach ihrer Auffassung die Meinungsfreiheit in Deutschland gehen darf. Und: Wo nach ihrem Dafürhalten deren Grenzen sind.
Dabei fallen Sätze und Lacher, die aufhorchen lassen. Schließlich geht es um ein wichtiges Grundrecht, einen der Grundpfeiler unserer Demokratie, das in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (…)“
Die Staatsanwälte antworten und lachen
Vor allem das Interview mit den drei Staatsanwälten sorgt im Netz für heftige Kritik.
„Wie reagieren die Menschen, wenn ihnen das Handy weggenommen wird?“, fragte die Reporterin. „Sie sind geschockt“, antwortete Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue und bricht gemeinsam mit seinen Kollegen in Gelächter aus.
Mehr noch: „Es ist ja schon eine Bestrafung, das Handy weggenommen zu bekommen – es ist sogar schlimmer als die Strafzahlung selbst.“
„Wir sagen: Nein, Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen.“
Dabei sei es egal, ob eine Person einen Beitrag selbst verfasst oder nur geteilt habe. „Im Falle des Teilens ist es ebenfalls eine Straftat. Denn der Leser kann nicht unterscheiden, ob Sie es selbst erfunden oder nur erneut gepostet haben. Für uns ist es dasselbe“, erklärt Meininghaus. Dabei geht es auch um beleidigende oder rassistische Inhalte.
▶︎ Die Reporterin will auch wissen, wie die Menschen reagieren, wenn plötzlich die Polizei wegen eines vermeintlich illegalen Beitrags vor der Tür stehe. Fink antwortet: „In Deutschland sagt man:: ‚Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.‘“ Die Menschen seien überrascht, dass ihre Beiträge vermeintlich illegal waren. „Sie sagen: ,Nein, das ist meine Meinungsfreiheit.’ Und wir sagen: ,Nein, Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen.’“
Wie das in der Praxis abläuft, ist in der Reportage zu erleben. Die US-Journalisten sind dabei, als sechs bewaffnete Polizisten um 6 Uhr morgens eine Wohnung in Nordwestdeutschland stürmen, Handy und Laptop einer Frau beschlagnahmen. Ihr Vergehen: Sie soll einen beleidigenden Social-Media-Post über einen Politiker im Netz geteilt haben.
Trump-Vize: Europa und USA müssen „diesen Wahnsinn ablehnen“
Auch US-Vizepräsident JD Vance hat sich in die Debatte eingeschaltet. Auf X schreibt er: „Jemanden zu beleidigen, ist kein Verbrechen, und die Kriminalisierung von Äußerungen wird die Beziehungen zwischen Europa und den USA stark belasten.“ Europa und die USA müssten „diesen Wahnsinn ablehnen“.
„Das ist orwellianisch“, schreibt Vance und vergleicht die Zustände in Deutschland so mit dem Kult-Roman 1984 von George Orwell über einen totalitären Überwachungsstaat.
Erst am Wochenende hatte der US-Vizepräsident den Europäern auf der Sicherheitskonferenz in München ins Gewissen geredet, vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit und damit einem Verlust gemeinsamer westlicher Werte gewarnt. Diese „Bedrohung von innen“ sei größer als die Gefahr durch Russland oder China. Dafür wurde Vance u. a. aus SPD und CDU heftig kritisiert.