Der ukrainische Geheimdienst SBU hat zusammen mit der Generalstaatsanwaltschaft Dutzende Razzien bei Ermittlern des Nationalen Antikorruptionsbüros (Nabu) vorgenommen. Diese hätten unter anderem über Exil-Ukrainer in Russland Informationen an den russischen Geheimdienst weitergegeben, teilten die Behörden mit.
„Ein Mitarbeiter der Zentrale des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine wurde festgenommen“, teilte der SBU mit. Der Geheimdienst beschuldigte den Verdächtigen, geheime Informationen an einen Sicherheitsmann des 2014 gestürzten ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch weitergegeben zu haben. Janukowitsch lebt heute in Russland. Einem laut der Nachrichtenagentur Reuters weiteren festgenommenen Nabu-Ermittler wurden zudem Geschäfte mit Russland vorgeworfen.
Antikorruptionsbüro meldet 70 Hausdurchsuchungen
Darüber hinaus wird Nabu-Ermittlern vorgeworfen, mehreren ukrainischen Geschäftsleuten bei der Flucht aus der Ukraine geholfen zu haben. Anderen Nabu-Mitarbeitenden wurden Verkehrsunfälle zur Last gelegt.
Das Nabu selbst sprach in einer Stellungnahme von mindestens 70 Hausdurchsuchungen. Betroffen waren demnach mindestens 15 Mitarbeitende der Behörde. Nabu-Chef Semen Krywonos brach eine Dienstreise in Großbritannien ab. Die SBU-Maßnahmen haben nach Angaben des Nabu praktisch seine gesamten Tätigkeiten zum Stillstand gebracht. Das Nabu hat in der Vergangenheit Korruptionsvorwürfe gegen hohe Regierungsbeamte erhoben.
Auch bei der Spezialisierten
Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) durchsuchte der SBU Häuser. Der Leiter der SAP, Oleksandr
Klymenko, befand sich ebenfalls in Großbritannien. Der SBU stritt dabei
Vorwürfe der Antikorruptionsbehörden ab, dass er bei den Razzien Zugriff
auf Informationen aus Ermittlungsverfahren erlangt habe.
Transparency International kritisiert Vorgehen des SBU
Die Nichtregierungsorganisation Transparency International schrieb in einer Erklärung von einem „Versuch der Demontage des Systems zur Korruptionsbekämpfung“. Sie rief Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu auf, „öffentlich die Unabhängigkeit der Antikorruptionsorgane zu garantieren“. Zudem appellierte die NGO an den SBU und die Generalstaatsanwaltschaft, „den gesetzwidrigen Druck einzustellen“.
Der Geheimdienst SBU untersteht Präsident Selenskyj. Das Nabu und eine Reihe anderer Behörden waren nach dem prowestlichen Umsturz in der Ukraine 2014 mit ausländischer Unterstützung gegründet worden. Sie sollen vor allem gegen die notorische Korruption hochrangiger Staatsangestellter vorgehen. Dennoch gilt die Ukraine laut Transparency International weiter als eines der korruptesten Länder Europas.