Warum die Enthüllung gerade
jetzt kommt, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich hat der Zeitpunkt mit der
großen Van-Gogh-Ausstellung zu tun, die gerade in der National Gallery in
London wieder einmal die Aufmerksamkeit auf den Künstler und sein Werk lenkt; davon
profitiert man auch als Wissenschaftler gern. In London hängen diesmal, anders
als in anderen Werkschauen, viele Bilder aus privaten Sammlungen, die lange
nicht öffentlich zu sehen waren. Die griechische Reederfamilie Niarchos zum
Beispiel hat anonym ausgeliehen, ebenso der französische Unternehmer Bernard Arnault,
Ronald Lauder und die diskrete Solow Art & Architecture Foundation aus New York.
Sie alle müssen um die
Echtheit ihrer Werke nicht fürchten, sonst würden sie nicht an den Wänden der altehrwürdigen
National Gallery hängen. Für drei andere Sammler ist der Traum vom echten van
Gogh dagegen ausgeträumt. Ihre bisher für Originale gehaltenen Bilder hat das
Van Gogh Museum in Amsterdam nun zu Fälschungen erklärt. Das Urteil zählt, denn
das Haus, in dem auch der Nachlass des Malers aufbewahrt wird, ist nach wie vor
die einzige weltweit anerkannte, unabhängige Institution für echt und falsch
bei van Gogh. Nach Informationen von ZEIT ONLINE und Deutschlandradio ist unter den betroffenen Besitzerinnen und Besitzern einer Fälschung eine Frau, deren Name ebenso weltberühmt ist wie der des Malers Vincent van Gogh: die
US-amerikanische Schauspielerin und Sängerin Barbra Streisand.
Sie hatte im Juni 2011 bei
Christie’s in London das Bildnis einer Frau mit dunkler Haube ersteigert,
angeboten worden war es als Frühwerk von van Gogh aus dem Jahr 1885. 993.250 Britische Pfund, umgerechnet
rund 1,15 Millionen Euro, zahlte der Hollywoodstar für das nur 30 mal 40
Zentimeter große Ölgemälde. Neun Jahre später erwarb Streisand einen weiteren,
fast gleichformatigen frühen van Gogh aus dem Nachlass des -Verlegers
Bob Guccione – wieder bei Christie’s, diesmal aber in New York und für 4,47
Millionen US-Dollar, rund 3,9 Millionen Euro. Als sie den Erwerb der damals öffentlich machte und ankündigte, das eher
unspektakuläre kleine Bild einem Museum zur Verfügung zu stellen, wurde in der
Öffentlichkeit die Frage laut, warum sich die Multimillionärin kein besseres
Bild geleistet habe. Immerhin aber war es ein Original.
2011 dagegen handelte es sich
nicht um einen van Gogh, sondern um eine Fälschung, wie das Van Gogh Museum nun
in der Fachzeitschrift bekannt gab. Der Frauenkopf war
seit Ende der 1920er-Jahre verschwunden gewesen und dann völlig überraschend in
einer niederländischen Sammlung wieder aufgetaucht. Drei Jahre vor der Auktion
erfolgte eine Begutachtung in Amsterdam – unter anderem durch den Vergleich mit
einer Schwarzweiß-Fotografie aus dem Werkverzeichnis von 1928. Das Bild wurde
nie ausgestellt, Farbaufnahmen gab es nicht. Und Zweifel offenbar auch nicht,
obwohl der Einlieferer den Experten nicht wirklich plausibel erklären konnte,
wie seine Familie an das Bild gekommen war. Die Expertise fiel entsprechend positiv
aus, das Gemälde wurde an Barbra Streisand versteigert.
Im Jahr 2019 meldete sich dann aber
ein anderer Besitzer im Van Gogh Museum, der ebenfalls beanspruchte, seine
Familie besitze das Porträt der Frau mit grüner Haube seit Ende der
1930er-Jahre. Er sei erstaunt gewesen, als ihm ein Freund erzählt habe, das
Bild sei vor Jahren bei Christie’s versteigert worden. Dem Van Gogh Museum
blieb also nichts anderes übrig, als beide Werke in Amsterdam unmittelbar zu
vergleichen. Dem Vernehmen nach reiste dafür 2022 auch das Streisand-Bild
erneut über den Atlantik. Tatsächlich sehen sich beide Bilder sehr ähnlich.
Details aber sprechen nach Meinung der Experten dafür, dass das 2011
versteigerte Werk eine sehr frühe Kopie nach dem 1928 katalogisierten Original
ist: Im Kragen zum Beispiel wurde rosa Farbe nachträglich aufgebracht, während
sie beim Original durch die Vermischung nasser weißer und roter Farbe entstand.
Eine chemische Analyse ergab zudem, dass auch hier für van Goghs frühe Phase
ungewöhnliche Pigmente verwendet worden waren. Vor der Auktion 2011 war das in
Amsterdam aber offenbar durch fehlende Pigmentanalysen ebenso wenig
aufgefallen wie der Umstand, dass das angebotene Bild gar nicht identisch mit
jenem ist, das 1928 ins Werkverzeichnis aufgenommen worden war.
Barbra Streisand ist gerade nicht zu erreichen
Nach Auskunft des Van Gogh
Museums wurden alle Beteiligten inzwischen über die neuen Erkenntnisse
informiert. Ob der Einlieferer von 2011 tatsächlich glaubte, er besitze das
Original, ist nicht bekannt. Auch nicht, warum sich die Besitzer der echten
Fassung nicht meldeten, als angeblich ihr van Gogh versteigert wurde.
Christie’s wollte auf Anfrage von ZEIT ONLINE und Deutschlandradio keine Stellungnahme abgeben.
Barbra Streisand ist nach Auskunft ihres Sprechers Ken Sunshine erst Anfang der
kommenden Woche zu erreichen.
Barbra Streisand hat in ihrem vielleicht schönsten
Lied überhaupt, , einst besungen. Die trübseligen Erinnerungen an den fälschlicherweise als
echt gekauften van Gogh nun werden nicht an ein Bild sein, das mit Wasserfarben gemalt wurde,
sondern in Öl.
Die beiden anderen Bilder,
die das Van Gogh Museum jetzt abgeschrieben hat, befinden sich in unbekanntem
Privatbesitz. Es handelt sich um die angebliche Zweitfassung der Ansicht eines
Restaurants in Paris, das der unbekannte Fälscher van Goghs Zeit im
südfranzösischen Arles zuordnete. Auch dieser Fälscher muss früh nach einer
Schwarzweiß-Aufnahme des Originalgemäldes gearbeitet haben, sonst wäre ihm
aufgefallen, dass die Gebinde auf den Tischen nicht wie bei ihm sommerliche Sonnenblumen,
sondern herbstliche Begonien sind. Auch einige andere Details wie die
Lichtführung stimmen nicht. Und schließlich fand man mit Manganblau auch ein Pigment, das erst
17 Jahre nach van Goghs Tod überhaupt verwendet werden konnte. Aufgetaucht ist
diese Fälschung erst in den 1950er-Jahren – aus unklarer Quelle.
Außerdem gilt das
Aquarell eines Landarbeiters mit Reisigbündel künftig nicht mehr als van Gogh.
Hier handelt es sich um einen Ausschnitt aus einem authentischen Gemälde aus
dem Spätsommer 1884, das sich heute in japanischem Privatbesitz befindet. Stil
und Farben stimmen nicht mit denen van Goghs überein; das Blatt stand deshalb
schon seit Längerem in Zweifel.
Die Gewissheit, dass sie eine Fälschung seit Jahren womöglich an den eigenen vier Wänden hängen hatte, ist im Fall von Barbra Streisand umso kurioser, weil sie in ihrer im vergangenen Jahr erschienenen Autobiografie eine Begegnung mit einem vermeintlichen Van-Gogh-Bild schildert, die ihre Faszination für den Maler erst ausgelöst habe. Als sie als aufstrebende Schauspielerin in den 1960er-Jahren nach Los Angeles kam, sei sie Gast bei einem Abendessen im Privathaus des Filmproduzenten William Goetz und dessen Ehefrau Edith gewesen, das Haus sei voll mit ausgesuchter Kunst gewesen, Monet, Cézanne, Picasso. Und ein unvollendetes Selbstporträt von Vincent van Gogh habe dort gehangen. Das habe sie besonders fasziniert, schreibt Streisand, und fügt in ihrem Buch im Jahr 2023 in Klammern hinzu, dass das vermeintliche Van-Gogh-Selbstporträt später als Fälschung erkannt worden sei. Das ist richtig. Doch an jenem Abend, schreibt Streisand, sei ihr zum ersten Mal klar geworden, dass manche Menschen so viel Geld besäßen, dass sie sich großartige Gemälde kaufen und zu Hause haben könnten. Nur stellen sich halt manche Bilder später als falsch heraus.