Trotz Haftbefehl bleibt René Benko erst einmal verschont

Man konnte sich in den vergangenen Wochen schon wundern, was insolvente Unternehmer sich offenbar alles leisten können. So wurde der Österreicher René Benko, der mit dem Immobilienkonstrukt Signa die größte Pleite der Nachkriegsgeschichte in seiner Heimat zu verantworten hat, zuletzt immer wieder bei teuren Freizeitbeschäftigungen gesichtet. Während sein Imperium zerfiel, gönnte er sich laut „Bild“ noch einen Wochenendtrip im Privatjet nach Barcelona. Vor wenigen Tagen wurden Fotos publik, die ihn beim exklusiven Jagdvergnügen in Österreich zeigen.

Statt Freizeitvergnügungen scheinen nun allerdings strafrechtliche Probleme auf den einstigen Vorzeigeunternehmer aus dem Nachbarland zuzukommen. So berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Dienstag, dass die Staatsanwaltschaft Trient einen Haftbefehl gegen Benko wegen Korruptionsvorwürfen erlassen hat.

Bereits Dienstagmittag wurde Benko aufgrund der Vorwürfe vom Tiroler Landeskriminalamt (LKA) Tirol vernommen. U-Haft droht Benko in seiner Heimat derzeit aber genauso wenig wie eine Auslieferung nach Italien. Und dennoch wird es für den Pleite-Unternehmer in strafrechtlichen Aspekten zunehmend eng. Denn auch in seiner Heimat interessieren sich die Staatsanwälte zunehmend für seine ehemaligen Geschäfte.

Grund für den Haftbefehl aus Trient sind Ermittlungen der örtlichen Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit Immobilienspekulationen. Die Vorwürfe lauten nach Angaben der Behörde unter anderem auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, Korruption und Betrug. In diesem Zusammenhang haben die Ermittler Hausarrest gegen mehrere Personen angeordnet, gegen die ermittelt wird. Darunter befinden sich laut Staatsanwaltschaft Trient auch ein Bürgermeister, drei Unternehmer und ein Gemeindeverwalter.

Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass eine Art Unternehmensgruppe öffentliche Initiativen und die Verwaltung zu ihrem Vorteil beeinflusst habe. So hätten mehrere Unternehmer laut Angaben der Staatsanwaltschaft Trient finanzielle Mittel für Wahlkämpfe zur Verfügung gestellt und dafür vereinfachte Verfahren und Konzessionen für Immobilieninitiativen erhalten.

Die Staatsanwaltschaft Trient betont, dass sich der Fall in der Vorermittlungsphase befindet und für alle Verdächtigen der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt. Ob sich die Ermittlungen auch gegen René Benko richten – wie von der Nachrichtenagentur Ansa berichtet –, ließ die Staatsanwaltschaft Trient auf Nachfrage von WELT unbeantwortet.

Europäischer Haftbefehl gegen Benko

Hingegen bestätigte die Staatsanwaltschaft Innsbruck auf Nachfrage, dass ein europäischer Haftbefehl gegen René Benko erlassen worden ist. Aufgrund des Ersuchens aus Italien sei Benko bereits Dienstagmittag vom LKA Tirol einvernommen worden. Die zuständige Staatsanwaltschaft Innsbruck hat keine U-Haft gegen Benko beantragt und will den Haftbefehl aus Italien laut eigenen Angaben nicht vollstrecken.

So müssten europäische Haftbefehle gegen eigene Staatsbürger nicht vollstreckt werden, wenn ein entsprechendes Verfahren auch im Inland geführt werden kann. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck würde nun prüfen, ob die in Italien vorgeworfenen Delikte auch in Österreich strafbar sind.

Sollte das der Fall sein, würde in diesem Fall in Österreich gegen Benko verhandelt werden. Über den Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck, den europäischen Haftbefehl gegen Benko nicht zu vollstrecken, muss vom zuständigen Gericht in Innsbruck allerdings noch entschieden werden. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass Benko an Italien ausgeliefert wird – zumindest von österreichischen Behörden.

In Deutschland droht Benko hingegen eine mögliche Vollstreckung des Haftbefehls aus Trient. So teilt das Landeskriminalamt (LKA) Bayern auf Anfrage mit, dass der Grenzschutz beim Abruf der Daten von Einreisenden einen europäischen Haftbefehl sofort erkennen und dessen Vollstreckung prüfen würde.

Ob der Haftbefehl vollstreckt wird, würde allerdings nicht die Polizei entscheiden, sondern die zuständigen Justizstellen. Das Bundesjustizministerium verwies auf Anfrage an die zuständigen Justizbehörden im jeweiligen Bundesland, denen die Entscheidung über die Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls obliege.

Das bayerische Justizministerium teilt dazu mit, sich „grundsätzlich nicht zu Einzelfällen“ zu äußern. Die Staatsanwaltschaft München war zunächst nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen, ob sie den europäischen Haftbefehl gegen Benko vollstrecken würde.

Doch auch in Wien droht Benko von strafrechtlicher Seite Ungemach. So führt die dortige Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Ermittlungen gegen René Benko und andere Verdächtige wegen des Verdachts des schweren Betrugs und Fördermittelmissbrauchs. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht dabei ein als Hotel geführtes Chalet in Lech am Arlberg, für das Benko und andere Beschuldigte 1,2 Millionen Euro an staatlicher Unterstützung während der Corona-Pandemie erhalten haben sollen.

Allerdings sei das angebliche Hotel laut den Vorwürfen vorrangig für private Zwecke genutzt und die Fördermittel deshalb zu Unrecht bezogen worden. Benko hat den Vorwürfen in österreichischen Medienberichten widersprochen. Zu den Vorwürfen aus Trient ließ Benkos Anwalt Norbert Wess mitteilen, dass Benko weiterhin mit allen nationalen und internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren würde und zuversichtlich sei, dass sich „allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären“ ließen.

Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit den Schwerpunkten Gesundheit und Bauwirtschaft.