Bei der Themenwahl – Nahost-Krieg – hatte Markus Lanz am Donnerstag ein glückliches Händchen, denn es gab große Nachrichten zu besprechen: Israel hatte Stunden zuvor Hamas-Chef Jahja Sinwar ausgeschaltet.
Die meisten Nachrufe der Talk-Experten fielen analytisch aus:
„Für Israel ist das heute ein guter Tag“, erklärte BILD-Vize und Kriegsreporter Paul Ronzheimer. Der Tod Sinwars nähre die Hoffnung auf eine Freilassung der israelischen Geiseln aus den Fängen der Terror-Gruppe, die den gegenwärtigen Krieg am 7. Oktober 2023 ausgelöst hatte.
„Er war für israelische Medien eine Inkarnation des Bösen, weil er nicht nur rücksichtslos und brutal war, sondern auch hochintelligent. Er konnte sehr gut Hebräisch, er hatte seine Reflexionen in einem autobiografischen Roman niedergeschrieben“, sagte Daniel Gerlach, Chefredakteur von „Zenith“, einem Fachmagazin für die arabisch-islamische Welt.
„Mit der Tötung von Sinwar hat Israel eines von drei Kriegszielen erreicht“, sagt CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (59). Die anderen lauten: Befreiung der Geiseln und Entmachtung der Hamas. Röttgen ist allerdings skeptisch, dass die Hamas das Faustpfand der Geiseln jemals aus der Hand geben werde. Und ein Kriegsende in der Region sei noch nicht in Sicht, da Israel auch eine Rechnung mit dem Iran offen habe. Die Mullahs hatten Israel Anfang Oktober heftig mit Raketen beschossen, schon zum zweiten Mal in diesem Jahr.
Gerlach glaubt, dass der israelische Regierungschef die neue „gesichtswahrende Chance“, den Gaza-Krieg zu beenden, nicht nutzen werde. Ronzheimer entgegnet: Erst mal habe Netanjahu den Top-Terroristen Sinwar schnappen müssen, damit es überhaupt eine Chance auf ein Kriegsende gibt.
Und: „Diese Tötung gibt Netanjahu gewissermaßen recht“, so Ronzheimer. Was sei alles diskutiert worden, dass die israelische Armee nicht nach Rafah (Süd-Gaza) gehen dürfe! „Und nun stellt sich heraus: Der Terror-Chef war genau dort.“
Röttgen: „Kern des Plans von Jahja Sinwar war es, Israel genau in das moralische Dilemma zu treiben, in das es jetzt steckt.“ Israel musste in Gaza einmarschieren, obwohl es längst israelischer Konsens war, da nie wieder reinzugehen. Es müsse tote Zivilisten in Kauf nehmen, weil man da kaum zwischen Zivilisten und Terroristen unterscheiden könne. Indem sich Israel verteidigt, ziehe es noch mehr Hass auf sich, habe aber keine andere Wahl, so Röttgen.
Das hänge auch mit der weiteren Front, nämlich dem Informationskrieg gegen Israel zusammen, sagte Osteuropa-Expertin Sabine Adler vom Deutschlandfunk. Im Westjordanland zum Beispiel würde eine Mehrheit der jungen Menschen die Gräueltaten der Hamas vom 7. Oktober leugnen. Aber auch im Westen verfange die Verteufelung des Landes.
Röttgen ringt nach Worten, als Lanz ihn zum Schluss der Sendung fragt, was passieren würde, wenn Israel fällt. Dann entstehe sofort „ein riesiges, tödliches Chaos“ – nicht nur im Nahen Osten, wo etwa Saudi-Arabien akut bedroht wäre, sondern auch in Europa. Die Achse Iran-Russland-China hätte gewonnen, mit schweren Folgen für die ganze Welt.
Ronzheimer hat das letzte Wort und klingt hoffnungsvoller: „Mit dem heutigen Tag hat sich alles verändert – das höre ich von meinen israelischen Quellen. Dass plötzlich auch über den Gegenschlag auf den Iran neu diskutiert wird und auch über mögliche politische Lösungen in Gaza. Vielleicht ist dieser Tag ein Wendepunkt.“