CDU, SPD und BSW in Thüringen haben sich auf einen Koalitionsvertrag für eine gemeinsame Regierung geeinigt. Das erklärten die drei Landeschefs der Parteien soeben im Thüringer Landtag. Es ist die erste Regierungsbeteiligung des Bündnis Sahra Wagenknecht in Deutschland.
Damit geht der Plan von Mario Voigt (47) und der CDU, nach zehn Jahren wieder den Ministerpräsidenten stellen zu können, offenbar auf. Allerdings: um den Preis eines Bündnisses mit der russlandfreundlichen Linkspartei-Abspaltung BSW.
Entsprechend zähe Verhandlungen hatte es in den zurückliegenden elf Wochen gegeben. Zwischenzeitlich waren die Gespräche sogar mehrfach unterbrochen worden, drohten gar zu scheitern.
Knackpunkt: eine von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht (55) diktierte „Präambel zur Friedensfrage“, die einem Koalitionsvertrag vorangestellt werden müsse. Formulierungen waren Wagenknecht zu weich. Dies sehe nun „deutlich anders aus als das Sondierungspapier“, sagte Wagenknecht.
▶ BSW-Landeschefin Katja Wolf sagte, man sein nun froh, eine gute Formulierung gefunden zu haben. Gleichwohl werden in der Präambel weiter Unterschiede deutlich. So heißt es im Text: „CDU und SPD sehen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs.“
Dagegen knickten CDU und SPD bei der Stationierung von Mittelstreckenraketen offenbar vor Wagenknecht ein. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.“
Auf Seite 107 des Koalitionsvertrages dann der Satz, ganz im Tonfall von Sahra Wagenknecht: „Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache sehen wir kritisch.“
Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag Vorhaben zu Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Migration, Verwaltungsmodernisierung, Sozialpolitik und kommunaler Entwicklung.
▶ Geplant ist u. a. eine Unterrichtsgarantie an Schulen, um den Stundenausfall abzubauen.
▶ Arztpraxen sollen für jeden Bürger maximal 20 Minuten entfernt sein.
▶ Abgelehnte Asylbewerber sollen nicht mehr auf die Kommunen abverteilt, stattdessen eine zentrale Landesausländerbehörde eingerichtet werden.
▶ Kommen soll auch das kostenlose Mittagessen in Schulen und kostenlose Hortbetreuung.
▶ Die Kommunen sollen mehr Freiheit bei Investitionen und bessere Finanzausstattung bekommen.
Bei der Aufteilung der Ministerien einigten sich die Partner darauf, dass die CDU neben dem Ministerpräsidenten vier Ministerien, das BSW drei und die SPD zwei Ressorts übernimmt. Über die genaue Besetzung der Häuser werde noch entschieden. Aktuell etwa beanspruchen alle drei Parteien das Wirtschaftsministerium.
Noch allerdings stehen all diese Vorhaben nur auf dem Papier. Denn dem sogenannten Brombeer-Bündnis aus CDU, SPD und BSW im Thüringer Landtag fehlt bei 44 von 88 Sitzen eine Stimme zur Mehrheit. Es ist damit auf die Linkspartei (12 Sitze) angewiesen. Eine Zusammenarbeit oder Kooperation mit der Höcke-AfD (32 Sitze) lehne man ab. „Es wird keine wechselnden Mehrheiten mit der AfD geben“, sagte SPD-Chef Georg Meier (amtierender Innenminister).
Das Bündnis muss noch formal von den Gremien der drei Parteien abgesegnet werden. Das BSW plant dazu einen Parteitag am 7. Dezember, die SPD plant eine Mitgliederbefragung, und bei der Union sei die Zustimmung des Landesausschusses – eine Art kleiner Parteitag – geplant.
Die Wahl von Mario Voigt zum Ministerpräsidenten ist für Mitte Dezember vorgesehen.