Eigentlich sollte SWR-Star-Regisseur Joachim Lang (65) dieser Tage zur Polen-Premiere seines eigenen Hitler-Films „Führer und Verführer“ reisen.
Die polnische Gedenkstätte des ehemaligen Nazi-Konzentrationslagers Auschwitz und das Goethe-Institut Polen hatten den vielfach ausgezeichneten Filmemacher eingeladen, sein Werk vor polnischen Mitarbeitern und Historikern vorzuführen – in Auschwitz, Krakau, Breslau und Warschau.
Eine große Ehre für SWR-Mitarbeiter Lang und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch dazu kam es nicht.
Lang, seit Längerem krankgeschrieben, beantragte für die Polenreise bei seinem Arbeitgeber Urlaub – erhielt aber keine Zusage mit der Begründung, er müsse zunächst zahlreiche Unterlagen einreichen, unter anderem zu Vorwürfen, die der Sender gegen ihn erhebt.
Der Regisseur musste den Polen und der Ehrung am vergangenen Donnerstag absagen, daran änderte auch die nachträgliche Genehmigung des Urlaubs nichts, die ihn erst am Tag der Premiere (Freitag) erreichte – vermutlich aus juristischen Gründen. Gegenüber BILD argumentiert der SWR allen Ernstes, Lang hätte an besagtem Freitag „eine direkte Nachtzugverbindung von München nach Auschwitz“ nutzen können, wenn er „um 16:14 den ICE von Stuttgart nach München genommen hätte“.
Gedenken im Last-Minute-Takt, einen Tag Verspätung inklusive!
Tatsächlich klagt Lang seit Jahren gegen den SWR. Hintergrund: Er hatte sich 2006 für seine SWR-Kollegin Sandra Dujmovic (58) in einem Fall mutmaßlicher sexueller Belästigung eingesetzt. Ein damaliger Sender-Chef, der die Vorwürfe bestreitet, soll Dujmovic bei einer Preisverleihung an den Busen gefasst und in seiner Wohnung sexuell bedrängt haben. Der Fall kam nie vor Gericht …
In der Folge wurde Dujmovic als Redaktionsleiterin abgesetzt. Lang wurden die Spielfilme entzogen. Beide klagten und gewannen vor Gericht. Doch der Streit schwelt bis heute – und Lang darf beim SWR keine Filme mehr realisieren. Sein Vertrag für Spielfilme wurde im Sommer 2024 erneut gekündigt, angeblich eine Sparmaßnahme.
Rührt daher jetzt auch die verhinderte Polenreise? Der Sender erklärt auf BILD-Anfrage: Von diesem Vorwurf „ist uns nichts bekannt“.
Historiker Wolffsohn: „Skandal“
Der gesamte Vorgang sei „ein Skandal“, findet der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn (77): „Joachim Lang stellte sich quer und vor die Redakteurin. Das ist Zivilcourage. Sie wird zu Recht gepriesen, nicht zuletzt beim SWR.“
Doch dem Sender sei das im Fall Lang offenbar egal, so Wolffsohn: „Er bekriegt seinen Mitarbeiter weiter – auf Steuerzahlers Kosten. Der SWR schadet auf diese Weise auch dem Ansehen Deutschlands. Die Treibjagd gegen Joachim Lang muss aufhören. Sofort! Viele Medien wollen uns erziehen. Dabei benehmen sie sich selbst wie Schwererziehbare.“
Auch Christoph Schmitz-Dethlefsen vom ver.di-Bundesvorstand nennt den Umgang des SWR mit Lang „rechtlich fragwürdig und politisch absolut instinktlos“. Niemand verstehe, „warum Intendant Gniffke für die Versäumnisse seiner Vorgänger auf Arbeitgebermethoden aus der alleruntersten Schublade zurückgreift. Ich bitte Herr Gniffke inständig: Kehren Sie und Ihr Haus zu arbeitsrechtlich sauberen und kulturell anständigen Umgangsformen zurück.“