Union und SPD ringen um eine neue Regierung. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch gehört zu den Chef-Verhandlern. Und macht im Interview klar, worauf seine Partei in den Verhandlungen bestehen wird.
BILD: Diese Woche haben Sie den Weg für das XXL-Schuldenpaket frei gemacht. Kann Schwarz-Rot noch scheitern?
Matthias Miersch: „Die Koalitionsverhandlungen sind nicht beendet. Insofern gibt es keinen Blankoscheck. Aber es ist schon mal eine gute Grundlage für eine mögliche Koalition.“
Die SPD hat im Wahlkampf sehr vor Friedrich Merz gewarnt. Vertrauen Sie Herrn Merz mittlerweile?
Miersch: „Eine Grundbasis unter Demokraten muss es geben. Wir müssen in der Lage sein, miteinander zu regieren. Hier ist es jetzt ein Anfang, und da muss einiges wachsen. Aber ich bin guten Mutes, dass das gelingt.“
Ist schon etwas gewachsen?
Miersch: „Wir haben in den Sondierungen sehr hart gerungen. Aber es war immer so, dass es wirklich menschlich fair war und eine gute Sache. Und das ist eine Grundbedingung, auch gut regieren zu können.“
„Beim Klimaschutz können wir uns keinen Aufschub leisten“
Die nächste Regierung hat jetzt einen großen Sonderschuldentopf. In welche Baustelle würden Sie als allererstes das Geld geben?
Miersch: „Da müssen wir jetzt priorisieren. Es muss in der Koalition entschieden werden. Aber die Bildungsinfrastruktur ist ein elementarer Punkt. Wie viele Leute erleben, dass es in die Schulen durchregnet, dass die Kinder keine guten Bedingungen haben. Und beim Klimaschutz können wir uns keinen Aufschub leisten. Insofern ist das Thema, wie wir die Mobilität der Zukunft organisieren, wichtig.“
Sind Sie für eine neue E-Auto-Prämie?
Miersch: „Ich bin auf alle Fälle für einen Kaufanreiz. Gerade für Menschen, die nicht ein neues Auto einfach mal so kaufen können. Da gibt es neben der Kaufprämie auch die Möglichkeit von Leasing. Darüber werden wir in den Koalitionsgesprächen befinden müssen.“
In Frankreich gibt es staatliche Leasingangebote ab 100 Euro im Monat für Geringverdiener. Damit die sich den Umstieg aufs E-Auto leisten können.
Im Schuldenmachen haben Union und SPD gezeigt, dass sie klotzen können. Kommen wir zum Sparen. Die Union möchte gerne beim Bürgergeld kürzen. Einverstanden?
Miersch: „Dort kann man zwar Einsparungen machen, aber damit kann man keine Haushaltslöcher stopfen. Wir haben immer gesagt: Da, wo Missbrauch stattfindet, wollen wir ran.“
Richtigen Streit gibt es um das Thema Zuwanderung. Die Union beharrt darauf, dass im Zweifel auch ohne Zustimmung unserer Nachbarländer an den Grenzen zurückgewiesen werden muss. Bleibt die SPD da bei ihrem Veto und sagt: Nein, nur wenn die Nachbarländer zustimmen?
Miersch: „Wir haben im Sondierungspapier das Erforderliche beschrieben. Das ist die Grundlage für den Koalitionsvertrag. Ich gehe davon aus, dass alle hinter diesen Formulierungen stehen.“
Na ja, die Formulierung wird unterschiedlich interpretiert. Die Union sagt: Abstimmen heißt nicht zustimmen, sondern nur, dass man jemanden informiert.
Miersch: „Ich gehe davon aus, dass im Koalitionsvertrag eine sehr klare Bestimmung, wie wir sie im Sondierungspapier vorfinden, da ist. Und dass wir dann unsere Grundlage haben, wie wir mit dem Thema umgehen.“
„Gehe fest davon aus, dass wir einen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 haben werden“
Zoff gibt es beim Mindestlohn und Rente. CDU-Generalsekretär Linnemann lehnt eine Festlegung auf 15 Euro ab 2026 ab und sagt, die Mindestlohnkommission kann entscheiden, was sie will.
Miersch: „Das ist sehr klar im Sondierungspapier geregelt. Und insofern gehe ich fest davon aus, dass wir einen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 haben werden.“
Geht die SPD in eine Koalition ohne Garantie des Rentenniveaus?
Miersch: „Das Sondierungspapier ist, was das Thema Rente angeht, sehr deutlich. Und das wird die Fortsetzung im Koalitionsvertrag haben.“
Im Sondierungspapier steht keine Zahl.
Miersch: „Es steht drin, dass wir das Niveau sichern wollen. Und dann weiß jeder eigentlich, was damit gemeint ist.“
Also 48 Prozent?
Miersch: „Sie werden das dann im Koalitionsvertrag nachlesen können.“
Was wird eigentlich aus Ihnen, wenn die Regierung steht? Sie werden schon als neuer Parteichef gehandelt.
Miersch: „Ach, das ehrt mich sehr. Ich bin augenblicklich kommissarischer Generalsekretär. Und den Job mache ich auch sehr gerne. Augenblicklich.“
Heißt das, dass Sie ihn gerne weitermachen wollen?
Miersch: „Wir haben ja einen Bundesparteitag im Juni, und da wollen wir mal gucken, wie die ganzen Personalien sich weiterentwickeln. Ich finde, da gehört auch eine gewisse Demut dazu. Dass man guckt, wie kommt man an in der Partei? Welche Möglichkeiten ergeben sich? Wir werden zu gegebener Zeit ein gutes Personaltableau dem Parteitag vorschlagen.“
Parteichefin Esken ist in den Koalitionsverhandlungen nach Lanzarote in die Sonne geflogen. Haben Sie dafür Verständnis?
Miersch: „Dass wir alle auch Kraft tanken müssen, muss man jedem zubilligen. Und sie ist immer erreichbar. Wir koppeln uns sehr eng zurück, auch ich mit Saskia Esken. Nächste Woche geht es dann los, dann kann sie voll Power in die Koalitionsverhandlungen mit einsteigen.“