Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen Gesetzentwurf gebilligt, der die Unabhängigkeit der Korruptionsbekämpfungsbehörden wieder stärken soll. Auf der Plattform X kündigte Selenskyj an, dass der Entwurf dem Parlament noch im Laufe des Tages vorgelegt werden soll. Die neue Fassung ist demnach ausgewogen und stellt zudem eine „echte Stärkung des ukrainischen Strafverfolgungssystems“ dar, das so „gegen jegliche russische Einflussnahme“ geschützt werde.
Ein Anfang der Woche beschlossenes Gesetz, das zuvor unabhängigen Antikorruptionsorganen Befugnisse entzieht, war von westlichen Verbündeten scharf kritisiert worden. In ukrainischen Großstädten gab es die ersten größeren Proteste seit dem Beginn der russischen Invasion.
Selenskyj unterstellt Behörden „russischen Einfluss“
Durch das ursprünglich verabschiedete Gesetz würden das
nationale Antikorruptionsbüro (Nabu) und die
Antikorruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo) dem Generalstaatsanwalt
unterstellt werden. Dieser wiederum wird von Selenskyj ernannt. Beide Antikorruptionsbehörden waren nach der Maidan-Revolution von 2014 gegründet worden.
Nach Darstellung der ukrainischen Regierung können die Antikorruptionsbehörden durch das Gesetz angeblich besser arbeiten. Selenskyj warf den Behörden außerdem „russischen Einfluss“ vor. Anfang der Woche hatte es bei Mitarbeitern von Nabu und SAP aufgrund dieses Verdachts umstrittene Razzien gegeben.
Kritiker warnen indessen davor, dass dadurch Selenskyjs Macht ausgebaut werde. Die Ukraine gehört der Nichtregierungsorganisation
Transparency International zufolge zu den korruptesten Staaten
Europas. Die EU sah in dem Vorgehen auch ein Hindernis für einen Beitritt zu dem Staatenbündnis. Der Umgang mit den Antikorruptionsbehörden „belastet den Weg der Ukraine in die EU“, schrieb etwa Außenminister Johann Wadephul (CDU) auf X.
EU lobt Neuauflage des Gesetzes
Die Vorlage eines neuen Entwurfs hatte Selenskyj am Mittwoch in seiner abendlichen Videoansprache angekündigt, aber zunächst noch keine Details genannt. Es werde die Antwort auf „alle Sorgen der Demonstranten“ sein. Trotz dessen gingen in Kyjiw an diesem Abend auch am
zweiten Tag in Folge Tausende Menschen auf die Straße und forderten ein Veto gegen das Gesetz.
Die Europäische Union begrüßte den Schritt. Die Verpflichtung zur Korruptionsbekämpfung sei eine wichtige Voraussetzung sowohl für die EU-Finanzhilfe als auch für eine mögliche EU-Mitgliedschaft. „Wir begrüßen die Tatsache, dass die ukrainische Regierung Maßnahmen ergreift, und wir arbeiten mit ihr zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Bedenken, die gestern und vorgestern klar dargelegt wurden, tatsächlich berücksichtigt werden“, sagte ein EU-Sprecher.
Demnach hatte es zuvor ein Gespräch zwischen Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegeben. „Wir gewähren der Ukraine beträchtliche finanzielle Unterstützung, die an Fortschritte und Transparenz, Justizreformen und demokratische Regierungsführung geknüpft ist“, teilte der Sprecher weiter mit.