Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat von den westlichen Verbündeten gefordert, die von seiner Regierung kontrollierten Teile des Landes unter den Schutz der Nato zu stellen. Zugleich signalisierte er Bereitschaft, mit der Rückerlangung der durch Russland besetzten Gebiete zu warten.
„Wenn wir die heiße Phase des Krieges beenden wollen, sollten wir das Gebiet der Ukraine, das wir kontrollieren, unter einen Nato-Schutzschirm stellen“, sagte Selenskyj am Freitag im britischen Fernsehsender Sky News. „Das muss schnell passieren, und dann kann die Ukraine die übrigen Teile ihres Territoriums auf diplomatische Art und Weise zurückerlangen“, fügte der ukrainische Präsident hinzu.
Die ukrainische Regierung habe diesen Weg bislang nicht in Betracht gezogen, weil niemand in der Nato ihn offiziell vorgeschlagen habe, sagte Selenskyj. Außerdem müsse eine Nato-Einladung trotzdem an die gesamte Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen gehen. Sein Land habe der Verfassung nach nicht das Recht, besetzte Gebiete als russisch anzuerkennen. Es müsse sichergestellt werden, dass Russland im Falle eines Waffenstillstands nicht wieder angreife, sagte er. Die Ukraine brauche „Garantien, dass Putin nicht wiederkommt“.
Der Präsident hatte zuletzt bei einer Rede im Parlament in Kyjiw angedeutet, dass die Ukraine nicht alle besetzten Gebiete militärisch zurückerobern müsse, sondern dies einer zukünftigen diplomatischen Lösung überlassen könnte. Die Forderung nach einer sofortigen Nato-Einladung gehört zu seinem sogenannten Siegesplan, den er im Herbst in Washington, D. C., Berlin und anderen Hauptstädten vorgestellt hat.
Allerdings sperren sich gerade die wichtigen Nato-Staaten USA und Deutschland dagegen, einen schnellen Pfad für die Ukraine in das Verteidigungsbündnis festzulegen. Auch die bisher aus der künftigen US-Regierung von Donald Trump bekannt gewordenen Pläne sehen für die Ukraine keinen Beitritt vor.
Fakten schaffen vor Machtwechsel in den USA
Selenskyjs Äußerungen fallen in eine Phase der Verschärfung des seit fast drei Jahren andauernden russischen Krieges in der Ukraine. Russland feuerte laut ukrainischen Angaben in der Nacht zum Freitag mehr als 130 Drohnen auf die Ukraine ab. In der Nacht zum Donnerstag löste Russland mit massiven Luftangriffen auf die Ukraine landesweiten Raketenalarm aus und verursachte Stromausfälle mit mehr als einer Million Betroffenen im Westen des Landes. Putin drohte zudem mit dem Einsatz einer neuartigen Mittelstreckenrakete gegen die ukrainische Hauptstadt Kyjiw.
Beide Seiten versuchen derzeit, in dem Konflikt noch vor der Amtsübernahme von Donald Trump im Weißen Haus die Oberhand zu gewinnen. Derzeit sind die USA der wichtigste Verbündete des Landes. Der scheidende US-Präsident Joe Biden erlaubte der ukrainischen Regierung kürzlich, Russland mit ATACMS-Raketen aus den USA anzugreifen.
Russland hält rund 18 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt. Die russische Armee vermeldet im Osten des Landes regelmäßig Geländegewinne.