Nach der abermals ergebnislosen Gesprächsrunde zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj US-Präsident Donald Trump zum Handeln aufgerufen. Trump müsse Sanktionen gegen Russland erlassen, sagte Selenskyj. Er erwarte „starke
Schritte“ von Trump. Einen
Vorschlag Russlands über eine zwei- bis dreitägige Waffenruhe bezeichnete der Präsident als lediglich „kurze Pause“ und warf Russland ein „Spiel der Rhetorik“ vor.
Zuvor hatten sich russische und ukrainische Unterhändler in Istanbul
zwei Wochen nach einer ersten Gesprächsrunde wieder zu Verhandlungen
getroffen. Nach Angaben der türkischen Vermittler gingen sie nach rund einer Stunde zu Ende. Beide Seiten vereinbarten zwar
einen umfassenderen Gefangenenaustausch, konnten sich aber nicht auf
eine Waffenruhe einigen.
Dem republikanischen Mehrheitsführer im
US-Senat, John Thune, zufolge will die Kammer noch in diesem
Monat mit der Arbeit an einem Gesetzentwurf über Sanktionen
gegen Russland beginnen. Thune sagte, die Regierung von
US-Präsident Donald Trump hoffe immer noch auf eine Einigung zur
Beendigung des Krieges, aber der Senat sei bereit, den Druck auf Russland zu erhöhen. „Wir sind auch bereit, Präsident Trump mit
allen Instrumenten auszustatten, die er braucht, um Russland
dazu zu bringen, sich endlich an den Verhandlungstisch zu
setzen“, sagte Thune.
Russland fordert ukrainischen Truppenabzug
Russland forderte als Bedingung für eine umfassende Waffenruhe erneut den Abzug der ukrainischen Truppen aus den von Russland beanspruchten Gebieten. Damit ein „30-tägiger
Waffenstillstand“ in Kraft treten könne, sei ein „vollständiger Rückzug“
der ukrainischen Streitkräfte aus den von Russland teilweise besetzten Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und
Cherson notwendig, hieß es in einem an die Ukraine
übermittelten „Memorandum“.
Das dreiseitige Dokument, das von den staatlichen russischen
Nachrichtenagenturen Tass und Ria Nowosti veröffentlicht wurde, umfasst
weitreichende Forderungen Russlands als
Voraussetzung für ein Ende des seit 2022 andauernden Konflikts. Zunächst
müssten demnach die von Russland besetzten Regionen sowie die im Jahr 2014
annektierte Krim international bindend als russische Territorien
anerkannt werden.
Alle Wirtschaftssanktionen gegen Russland sollten laut dem Dokument aufgehoben werden, die Ukraine müsse „neutral“ sein und auf
einen Nato-Beitritt verzichten. Westliche Waffenlieferungen und das
Teilen von Geheimdienstinformationen müssten gestoppt werden, die Größe
der ukrainischen Armee solle begrenzt werden. Die Ukraine müsse sich
verpflichten, auf jegliche Reparationsforderungen an Russland zu
verzichten. Zudem müsse die Ukraine alle russischen „politischen
Gefangenen“ freilassen. In Anlehnung an Russlands erklärtes Ziel der „Entnazifizierung“ des verfeindeten Nachbarlands
sieht das Dokument zudem die Auflösung „ukrainisch-nationalistischer
Formationen“ innerhalb der ukrainischen Streitkräfte vor.
Ukraine und Russland wollen Listen mit Namen von Gefangenen austauschen
Die in dem Memorandum genannten Forderungen Russlands wurden von der Ukraine in der Vergangenheit bereits mehrfach abgelehnt. Gemäß einem von der Ukraine erstellten Plan lehnt die Ukraine laut der Nachrichtenagentur Reuters nach einem
Friedensabkommen Beschränkungen seiner militärischen Stärke ab.
Das gilt auch für eine internationale Anerkennung russischer
Souveränität über von russischen Truppen eingenommene Teile der
Ukraine.
Die Ukraine verständigte sich nach Angaben Selenskyjs mit Russland zumindest darauf, sich
gegenseitig Listen mit Namen von Gefangenen für einen geplanten
Austausch zu übermitteln. Die Unterhändler bei den jüngsten
Gesprächen in Istanbul hätten einen Austausch von jeweils 1.000
Gefangenen vereinbart, teilte Selenskyj mit. Es gebe außerdem die Möglichkeit, 200
weitere Kriegsgefangene auszutauschen.
Die Rückgabe sterblicher
Überreste von Militärangehörigen sei ebenfalls verabredet
worden. Dafür sei aber eine sorgfältige Vorbereitung notwendig.
Der ukrainische Präsident fügte hinzu, dass die Ukraine Russland
eine Liste mit den Namen von fast 400 Kindern übergeben habe,
die nach Russland verschleppt worden seien und zurückkehren
sollten. Die russische Delegation habe aber nur zugesagt, die
Rückkehr von zehn Kindern vorzubereiten.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan äußerte derweil die
Hoffnung, dass es schon bald zu einer direkten Begegnung Putins
und Selenskyjs in der Türkei kommen werde. Daran könne auch
US-Präsident Donald Trump teilnehmen, sagte Erdoğan.