Neue Töne von Wolodymyr Selenskyj: Der ukrainische Präsident ist plötzlich bereit, im Austausch für den Schutz der Nato ukrainische Regionen zumindest vorübergehend an Russland abzutreten, wenn dies ein Ende der Kämpfe bedeutet.
„Wenn wir die heiße Phase des Krieges beenden wollen, müssen wir das Gebiet der Ukraine, das wir unter unserer Kontrolle haben, unter den Schutz der Nato stellen“, sagte Selenskyj am Freitag in einem Interview mit Sky News. Die Ukraine brauche den Schutz des Westens schnell und dringend, „sonst wird Putin zurückkommen“, sagte er.
In einem zweiten Schritt wolle er dann auf diplomatischem Weg den restlichen Teil der Ukraine zurückerhalten. Dies wären die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson.
Wohl keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine
Diese Selenskyj-Aussagen stellen eine Wende dar. Bislang schloss der ukrainische Präsident Gebietsabtritte grundsätzlich aus.
Fordert Selenskyj damit eine schnelle Nato-Mitgliedschaft? Nicht unbedingt. In dem Interview deutete er an, dass es bei dem Nato-Schutz stattdessen um Sicherheitsgarantien einzelner Mitgliedsstaaten gehen könnte. Eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine lehnt Russlands Diktator Wladimir Putin kategorisch ab und wäre für den Tyrannen im Kreml ein Ausschlusskriterium für Verhandlungen.
„Niemand hat uns angeboten, nur mit dem einen oder anderen Teil der Ukraine in der Nato zu bleiben“, sagte Selenskyj. „Es wäre möglich, aber niemand hat es angeboten.“
Ukraine-Armee in der Defensive
Die Selenskyj-Wende kommt in einer Zeit, in der die ukrainische Armee unter enormem Druck steht. Russland hat an der Front zuletzt enorme Fortschritte gemacht. Die Rede ist von mehreren hundert Quadratkilometern Frontgewinn allein im November.
„Die russischen Streitkräfte sind in letzter Zeit deutlich schneller vorgerückt als im gesamten Jahr 2023“, heißt es in einem Bericht des Institute for the Study of War in Washington.
In der Nacht zu Freitag feuerte Putins Armee mehr als 130 Drohnen auf die Ukraine ab. Eine Nacht zuvor kam es im Westen der Ukraine durch massive Luftangriffe Russlands zu flächendeckenden Stromausfällen. Mehr als einer Million Ukrainer im Westen des Landes waren davon betroffen.