Heute wird Bryan Ferry 80 Jahre alt, und als wir ihm geschrieben und ihn gefragt haben, was er sich selbst zu seinem Geburtstag wünsche, hat er aus London eine bodenständige Antwort geschickt, in der alles steckt, was seine Musik ausmacht, diese Mischung aus Euphorie und Sehnsucht, aus Energie und Melancholie:
Wer ist Bryan Ferry? Vielleicht kann man seinen Einfluss auf die Geschichte der Popkultur am besten über drei Momente erzählen. Als der US-amerikanische Musiker Nile Rodgers Anfang der Siebzigerjahre ein Konzert von Ferrys Band Roxy Music besuchte, war er so hin und weg von der Musik und vom Look der Musiker, dass er anschließend einen Freund in New York anrief und ihm sagte: „Wir müssen eine schwarze Roxy Music machen.“ Die beiden gründeten die Band Chic, die den Discosound mitprägen sollte.
Und als Bryan Ferry einige Jahrzehnte später ein Konzert in New York gab, sang ein Mann im Publikum bei einem Song lauthals mit, er kannte den Text auswendig: David Bowie. Als wir Bryan Ferry im vergangenen Jahr auf diesen Moment ansprachen, sagte er unprätentiös, wie man es von ihm kennt: „Ja, bei meinem Song . Ich bin sicher, es klang bei ihm viel besser. Er mochte, was wir machten. Und er hat Alben zusammen mit Brian Eno aufgenommen, der am Anfang bei Roxy Music dabei war, das sind richtig gute Platten.“
Der dritte Moment? Wenn Scarlett Johansson und Bill Murray in Sofia Coppolas Filmklassiker aus dem Jahr 2003 in einer Karaokebar gemeinsam Roxy Musics Ballade singen. Diese Szene gefällt Bryan Ferry, auch weil sie seinem Wesen entspricht: Er kann sich zurückhalten, muss selbst nicht auf die Bühne, er kann seine Musik für sich selbst sprechen lassen. So wie auf den Albumcovern von Roxy Music, auf denen nie die Band, sondern Londoner Szenestars zu sehen waren. „Die Cover zu der Zeit zeigten Bands meistens in einer Hinterhofgasse und mit wütenden Gesichtsausdrücken“, hat er gesagt. „Wir wollten etwas anderes, etwas Schönes. Das Cover mit der gleichen Sorgfalt zu produzieren wie die Musik: Das erschien mir sinnvoll. Und es schien zu funktionieren, auch wenn manche Leute fragten: ‚Was für eine Platte ist das denn?‘ Aber das war gut, sie konnten es ja herausfinden.“
Bryan Ferry, der stilvollste Superstar des Pop, wird also 80. Der Musiker, über den der Satz geprägt wurde (er selbst vermutet von dem Innenarchitekten Nicky Haslam, einem alten Freund): „Andere Bands wollten Hotelzimmer verwüsten. Roxy Music wollten sie neu einrichten.“
„Wenn ich cool wäre, würde ich das nicht sagen“
Dabei wurde Bryan Ferry in eine Familie mit wenig Geld hineingeboren, 1945 in Durham in der Nähe von Newcastle. „Wir waren eine sehr zurückhaltende Familie“, hat er mir erzählt, als ich ihn 2019 porträtiert habe. „Über bestimmte Dinge wurde nicht gesprochen. Wir waren nicht sehr emotional. Es wurde sich auch nicht angefasst. Es gab Zuneigung, aber sie war nie körperlich. Und ich bin immer noch so.“ Arbeiterklasse, Bergbau, zu Hause kein fließendes Wasser, der Vater kümmerte sich um die Ponys, die die Kohlezüge aus dem Schacht zogen.
Bryan Ferry selbst zog sich mit der Musik nach oben, er entdeckte den amerikanischen Jazz, R ’n‘ B, Rock ’n‘ Roll. Er jobbte und sparte sein ganzes Geld für seinen ersten Anzug, studierte in Newcastle Kunst beim Popmaler Richard Hamilton, zog nach London, um selbst Maler zu werden. Eher nebenbei gründete er eine Band, schrieb eigene Songs. Als Roxy Musics Debütalbum 1972 erschien, darauf auch ihr Hit , wurden sie sofort zu einer Sensation. Junge Musiker, die in eleganten Anzügen auftraten, die sogar einen eigenen Haarstylisten hatten: Das hatte selbst London, damals die Hauptstadt des Pop, noch nicht gesehen. Aus dem Kunststudenten, der Pop-Art liebte, wurde selbst ein Popstar. Es folgte eine Weltkarriere, erst mit seiner Band, dann solo, zwischendurch immer wieder mit der Band, mit der er vor drei Jahren ein letztes Mal auf Tournee ging, in den USA und in Großbritannien. 2019 wurden Roxy Music in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.
Dass er im Laufe der Jahrzehnte fast unendlich oft als cool beschrieben worden ist, lag natürlich nicht nur an seinen Looks (unvergessen ein Albumcover von 1974, Ferry im weißen Tuxedo, fotografiert an einem Hotelpool in Los Angeles), sondern auch an seiner Schüchternheit, die nicht gespielt ist. Er sei gar nicht cool, hat er sich seinen Ruf im vergangenen Jahr erklärt. „Ich bin dafür viel zu launisch. Vielleicht liegt das an der Fassade.“ Und dann hat er noch einen, klar, ziemlich coolen Satz hinterhergeschoben: „Wenn ich cool wäre, würde ich das nicht sagen.“
So viele seiner Songs sind Klassiker geworden, man muss sie noch einmal aufschreiben, um sie zu feiern, sie wieder anhören, besonders heute: , , , , , , natürlich . Und seine Cover! John Lennons , seine Version von des Rhythm-&-Blues-Songs aus den frühen Sechzigern. Auch Bob Dylan klang nie so elegant wie bei Bryan Ferry. „Ich glaube, dass ich in meiner Arbeit zeige, wer ich gerne wäre“, sagt Ferry dazu selbst. Das gilt bis heute, wenn er mit der Dichterin Amelia Barratt Songs produziert. Wieder hält er sich selbst zurück, sie und ihre Stimme stehen im Vordergrund, er macht die Musik. Das ist sein Glück.
Heute also wird Bryan Ferry 80 Jahre alt. Da wünschen auch wir ihm:
