Es war einer der verheerendsten russischen Angriffe seit Kriegsbeginn. Am Dienstag sind in der Stadt Poltawa (Zentralukraine) mindestens 53 Menschen getötet worden, rund 300 wurden verletzt. In der Ukraine wird nach dem Angriff scharfe Kritik an der Militärführung laut!
Ziel der russischen Raketen: das militärische Institut für Kommunikation. Hier bildet die Ukraine Telekommunikationsspezialisten für die Verteidigung gegen Russland aus. Nach BILD-Informationen werden Soldaten aus der gesamten Ukraine und von der Front zur Ausbildung nach Poltawa geschickt.
Zunächst hatte es geheißen, dass auch ein Krankenhaus getroffen wurde. Das teilte u. a. die ukrainische Regierung mit. BILD-Reporter vor Ort konnten diese Berichte nicht verifizieren.
Das Kommunikationsinstitut ist gemeinhin bekannt, es existiert seit 1968. Der Standort ist im Internet (etwa über die russische Suchmaschine Yandex und über Wikipedia) einfach zu ermitteln. Dazu kommt, dass es in Poltawa keine Luftabwehr gibt, um die Soldaten vor Raketenangriffen zu schützen. Grund für ukrainische Politiker und Blogger, ihrer Militärführung schwere Vorwürfe zu machen!
► Die Parlamentsabgeordnete Mariana Besugla (36), die dem Verteidigungsausschuss angehört und die ukrainische Militärführung schon oft kritisiert hat, warf hochrangigen Offizieren vor, die Soldaten gefährdet zu haben.
► „Wie kann es sein, dass eine so große Anzahl von Menschen in einer solchen Einrichtung zusammenkommen kann?“, kritisierte der ukrainische Blogger Sergej Naumowich.
BILD sprach in Poltawa mit einem ukrainischen Soldaten (26), der Ende August für 35 Tage in das Ausbildungszentrum geschickt wurde und anonym bleiben möchte.
Der Soldat berichtet von zwei Raketen, die nacheinander dieselbe Stelle im Eingangsbereich des Instituts trafen. Ausgerechnet dort wollten sich laut dem Soldaten viele in Sicherheit bringen, als der Luftalarm ertönte. Die Zeit habe nicht gereicht, um in einem Bunker Schutz zu suchen, erzählt er. „Wenn ich schneller gelaufen wäre, wäre ich wahrscheinlich getötet worden.“ Der junge Soldat geht davon aus, dass sich die Zahl der Toten weiter erhöhen könnte.
Laut dem Soldaten hätten die vielen Toten und Verletzten durch bessere Luftabwehr verhindert werden können. „Es mangelt an Luftverteidigung in dieser Region. Es ist logisch, dass es einen besseren Schutz gibt, wenn es mehr Luftabwehrsysteme gibt“, sagt er zu BILD.
Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj (46) erklärte, er habe „eine umfassende und schnelle Untersuchung“ der Umstände des Angriffs in Poltawa angeordnet. Zudem hat er den Westen um neue Luftverteidigungssysteme gebeten. US-Präsident Joe Biden (81) hat der Ukraine die Lieferung weiterer Systeme bereits zugesagt.