Am Montagmorgen traf Kanzler Olaf Scholz zu einem zuvor geheim gehaltenen Besuch in Kiew ein. Anschließend besuchte er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Krankenhaus in der Hauptstadt.

Dabei sprach der Kanzler mit verwundeten Soldaten und posierte gemeinsam mit Selenskyj auch für ein Foto mit einem besonders schwer verwundeten Kämpfer: Der junge Mann, der im Krieg gegen Aggressor Russland seine Beine verloren hatte, lächelte in die Kamera und umarmte seinen Präsidenten. Scholz kniete neben ihm, lächelte angespannt.

Scholz‘ zweiter Besuch seit Russlands Überfall

Es ist seit dem Überfall Russlands erst sein zweiter Besuch in Kiew. Das erste Mal kam er im Juni 2022 her. Jetzt, nach fast 2,5 Jahren, ist Scholz zurück. In der Stadt, die Russland gerade Tag für Tag mit Kampfdrohnen und Bomben angreift.

Direkt nach Ankunft erklärt Olaf Scholz: „Seit mehr als 1000 Tagen verteidigt sich die Ukraine auf heldenhafte Art und Weise gegen den erbarmungslosen russischen Angriffskrieg.“

Mitgebracht hat er ein Versprechen: „Ich möchte hier vor Ort deutlich machen, dass Deutschland der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa bleiben wird.“ Er werde Selenskyj Waffen im Wert von 650 Millionen Euro ankündigen, die noch im Dezember geliefert werden sollen. „Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen: Wir sagen, was wir tun. Und wir tun, was wir sagen“, so Scholz.

Aber: Den von Kiew dringend gewünschten Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite bis Moskau hat Scholz nicht im Gepäck. Da bleibt es bei seinem harten Nein. Zu gefährlich, findet der Kanzler. Wenn die Ukraine mit dem deutschen Taurus weit nach Russland schießen würde, droht in der Scholz-Denke eine Ausweitung des Krieges.

Union, FDP und Grüne kritisieren seinen Kurs als zu ängstlich gegenüber Kreml-Despot Putin. Doch Scholz hat für solche Kritik nur ein Augenrollen übrig.

Seine Reise nach Kiew – streng geheim. Warum reist er ausgerechnet jetzt in die Ukraine?

83 Tage vor der Bundestagswahl will Scholz natürlich das Zeichen setzen: Ich bin der Kanzler, ich führe die Verhandlungen auf der Welt.

Seine Leute betonen aber: Die Reise war lange vor dem Ampel-Aus geplant. Nach der US-Wahl (im November) und vor Trumps Amtsantritt (im Januar) hatte Scholz eine Kiew-Reise fest eingeplant.

Scholz will wissen, wozu Selenskyj bereit ist

Ziel: Im hochvertraulichen Gespräch ausloten, wie Präsident Selenskyj die Lage einschätzt. Wozu er und sein Land bereit sind. Scholz hat wieder und wieder betont: „Es darf nichts über die Köpfe der Ukrainer hinweg entschieden werden.“

Diese Haltung ist für ihn ein Auftrag: Wenn US-Präsident Donald Trump wie angekündigt Verhandlungen über ein Kriegsende startet, will sich Scholz für die Position der Ukraine starkmachen.

Haken an der Sache: Trump muss überhaupt bereit sein, sich mit Scholz, einem Kanzler ohne Mehrheit kurz vor einer Neuwahl, abzustimmen. Das erste Telefonat zwischen dem künftigen Präsidenten und dem Noch-Kanzler soll zwar relativ gut gelaufen sein, aber Trump ist eben auch für abrupte Kursänderungen berüchtigt.