Wenn Entmenschlichung Staatsraison ist, kommen Abartigkeiten zutage, die sich in einer zivilisierten Gesellschaft nur Autoren von Psychothrillern ausdenken können. Man liest von Gräueltaten, schaudert – doch wenn man das Buch zuklappt, ist der Horror vorbei.

Für Ukrainerinnen und Ukrainer ist das Buch nicht Fiktion, sondern grausame Realität – auch in Putins Russland, besonders in seinen Straflagern. Was dort passiert, erzählte Natalia Wlasowa.

Die Ukrainerin wurde an Heiligabend 2024 zu 18 Jahren Haft wegen „Terrorismus“ verurteilt. Angeblich hatte sie mit zwei weiteren Angeklagten 2018–2019 versucht, Wasil Jewdokimow, den Chef des berüchtigten Foltergefängnisses Izoljatzija in Donezk, umzubringen.

Die Russen hatten die ehemalige Fabrik Izoljatzija und das Kunstzentrum nach der Eroberung der Stadt 2014 in eine Hölle verwandelt.

Dort saß Wlasowa seit März 2019 für vier Monate ein. Was ihr dort angetan wurde, erzählt sie im Laufe ihrer Gerichtsverhandlung. Ihre Aussagen schneiden die Russen später aus den Videoaufzeichnungen. Doch ihre Schwester Olena berichtet über ihren Horror in der „Ukrainska Prawda“.

Das angebliche Opfer Wasil Jewdokimow ist in Wahrheit eine Folter-Bestie. „Dieser Ort wird Todesfabrik genannt“, sagt Natalia aus. „Sein Boss war Jewdokimow. Es gab den Punkt, an dem ich darum bettelte, erschossen zu werden, als ich versuchte zu fliehen. Aber nein – Jewdokimow antwortete, dass ich leiden müsse.“

Und sie litt – besonders unter der Folter-Bestie. „Jewdokimow feilte mir persönlich mit einer Nagelfeile meine Zähne, verdrehte meine Brustwarzen und versuchte, mir eine Flasche in meine Vagina zu stecken. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es genau diese Person ist, die euer Opfer ist.“

Während der Folter, als alles einfach zu viel wurde, erreichte Natalia Wlasowa einen Punkt gefühlloser Gleichgültigkeit. „Es spielte keine Rolle mehr, was geschah oder was als Nächstes kommen würde. Das Schlimmste war, als sie mir sagten, dass sie wüssten, in welchen Kindergarten mein Kind geht und sie drohten, ihr ein explodierendes Spielzeug zu geben. Ich hatte keinen Zweifel, dass sie es gemacht hätten.“

Natalia wurde systematisch vergewaltigt. Einmal von 15 Männern gleichzeitig. Auch Ärzte beteiligten sich an ihrer Folter. Wenn sie bewusstlos wurde, weckten sie sie wieder auf, denn die Folter-Teufel wollten, dass ihr Opfer alles miterlebte.

„Sie zogen mich aus und fesselten mich mit Klebeband, übergossen mich mit Wasser und schaltete den Strom ein. Wenn ich nicht genug schrie, erhöhten sie den Strom und die Stöße wurden noch heftiger. Sie brauchten eine Reaktion. Das habe ich nicht gleich verstanden, und als ich dann laut genug schrie, hörte ich ihre zufriedenen Stimmen.“

Natalia Wlasowas Zeit im Foltergefängnis in Donezk war eine perverse Mixtur aus dem Knistern von Elektrizität, Schmerzensschreien, Blut, Sperma, Ammoniak.

„Ich kann sie nur als Wahnsinnige bezeichnen“, sagt sie abschließend. „Vergnügen daran zu finden, einer nackten, gefesselten Frau Schmerzen zuzufügen und sich auf jede Form von Perversion einzulassen, übersteigt das, was ein normaler Mensch tun könnte.“

18 Jahre soll sie nun in einem Lager in Russland eingekerkert sein. Ihre kleine Tochter Julia ist erst fünf Jahre alt und darf ihre Mutter ihre komplette Kindheit nicht mehr sehen. Aus perverser Willkür, weil sie Ukrainerin ist.