Es ist die wohl größte Razzia gegen Sozialbetrug und Kindergeld-Abzocke in ganz Deutschland. Das Duisburger Ordnungsamt und die Polizei stürmen am frühen Morgen den „Weißen Riesen“. BILD ist vor Ort.
Das Problem-Hochhaus von Duisburg (NRW) erlangte im Sommer traurige Berühmtheit. Paketdienstleister DHL hatte die Zustellung in den riesigen Gebäudekomplex (320 Wohnungen) eingestellt. Man könne dort die Sicherheit der Paketboten nicht gewährleisten, es gebe „bedrohliche Situationen“, hieß es bei der Post.
400 Einsatzkräfte im „Weißen Riesen“
Jetzt ordnete Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (48, SPD) die Großkontrolle an. Pünktlich um 6 Uhr früh starten mehr als 100 Ordnungsamtsmitarbeiter die sogenannte „Meldekontrolle“. Unterstützt werden sie von einem Großaufgebot der Polizei und weiterer Ordnungsbehörden, nach BILD-Informationen sind rund 400 Einsatzkräfte vor Ort. Dabei auch Spezialisten der Bundesagentur für Arbeit und der Familienkasse aus Nürnberg, um Sozialbetrüger dingfest zu machen.
Das Ziel: Herausfinden, wer wirklich alles in dem berüchtigten Wohnblock lebt. Offiziell sind es 1414 Personen.
„Ordnungsamt! Machen Sie die Tür auf!“
In den verdreckten Treppenhäusern schießt den Einsatzkräften Gestank entgegen, an allen Türen wird geklopft, die Klingeln funktionieren oft nicht. „Ordnungsamt! Machen Sie die Tür auf!“ Dahinter meist junge Männer, viele aus Südosteuropa. Sie verstehen kein Deutsch. Einer fragt: „Warum so früh?“ Ein Ordnungsamts-Mann trocken: „Früher Vogel fängt 1000 Würmer…“ Außer dem unfreiwilligen Frühaufsteher sollen noch drei weitere Männer in der Wohnung leben. Von denen weiß der Mann aber nichts …
In einer Wohnung im 6. Stock öffnet ein Jugendlicher die Tür. Auf seinem T-Shirt steht: „Deutscher durch Geburt“. Deutsch spricht der Rumäne aber trotzdem nicht.
Drei Erwachsene und fünf Kinder leben in der Wohnung (ca. 60 Quadratmeter). Hier stimmen die Angaben mit den Meldedaten der Behörde überein. Hinter einer anderen Tür soll ebenfalls eine Familie mit Kindern wohnen. „Sind nicht da, bei Verwandten“, sagt die Mutter.
Der Verdacht der Behörden: Nicht alle der im Hochhaus offiziell gemeldeten rund 300 Kinder leben wirklich dort, sondern in der Heimat der Eltern. Das Kindergeld geht aber trotzdem an die Adresse im „Weißen Riesen“. Auch dieser Kindergeld-Abzocke soll die Razzia ein Ende machen.
Duisburg-OB Link: „Staat muss durchgreifen“
Duisburgs OB Sören Link zu BILD: „Die Meldekontrolle hilft uns festzustellen, wer sich hier aufhalten darf, wer zu Unrecht Sozialleistungen bezieht oder wer ausländerrechtlich gar nicht mehr hier sein darf. Da müssen wir durchgreifen. Auch um Vertrauen in die Stadt und den Staat wiederherzustellen.“
Der Großeinsatz läuft noch weiter. Schon nach etwas über einer Stunde führen Polizisten mehrere Männer aus dem Haus, werden in einen Sammeltransporter gebracht. Eine Polizeisprecherin zu BILD: „Offene Haftbefehle, unter anderem wegen angeordneter Abschiebung…“
Der Stand um kurz vor 9 Uhr: 16 Festnahmen, davon 14 mal wegen illegalen Aufenthalts, dazu zwei offene Haftbefehle wegen Abschiebung …