Noch sechs
Wochen. Nur 40 Tage. Dann geht Ricarda Lang, sie
hat zusammen mit dem Kollegen Omid Nouripour das Amt der Vorsitzenden vom
Bündnis 90/Die Grünen niedergelegt. Eine Ära ist zu Ende, ich nenne sie
jetzt mal (sorry, Omid) die Ricarda-Ära. Wie werde ich sie vermissen. Wie viel
unerträglicher wird die politische Szene in Deutschland ohne eine Ricarda Lang
sein.
Ist schon klar,
ich bin Fan. Nicht weil ich Mitglied der Grünen bin, sondern andersrum: Wie oft
habe ich mir gesagt, ich bin noch Mitglied, weil es hier eine Ricarda Lang
gibt, weil bei den Grünen, und überhaupt nur da, eine Frau wie Ricarda Lang
Parteivorsitzende werden kann.
Eine Frau, die
mit gerade mal 28 Jahren Vorsitzende einer Regierungspartei wurde. Eine kleine, dicke Frau,
meine Mutter hätte sie „mollert“ genannt, um ja nicht „dick“ zu sagen, womit
Ricarda Lang aber kein Problem hat. Genau betrachtet ist sie natürlich mittlerweile
eine Fashionikone, kobaltblaue glänzende Blusen zu schwarzen Hosen, die
Wickelkleider mit diesen grafischen Wahnsinnsmustern, das unverschminkte klare
Gesicht – Role-Model. Seht her.
Ich duck mich nicht. Ich bin Ricarda Lang.
Was werden Talkshows sein ohne sie? Ohne diese gelassene Frau inmitten der Angespannten? Ich
erinnere mich an eine
Runde Anfang des letzten Jahres bei , im sich anbahnenden
Gebäudeenergiegesetzdebakel. Sie saß neben Herrn Spahn. Sie ließ ein haltloses Ereifern
über die Grünen über sich hinwegfließen, die von
„den Leuten“ angeblich keine Ahnung haben, nicht registrierten, was die Leute wollen, immer wieder die Leute mit Ausrufezeichen, „die Leute im Land!“. Und
noch hatte es gar nicht angefangen, das böse Gerede von den übergriffigen Grünen, die den Menschen an das Private gehen, an die Heizung im Keller! Das
Privateste!
Man wird in den
folgenden Monaten unzählige Male sehen, wie sie, in aller Ruhe, einen klaren
Satz nach dem anderen formulierend, ohne den winzigsten Anflug von Genervtheit,
das vermaledeite Heizungsgesetz erklärt. Ja, da müsse nachgebessert werden. Ja,
die soziale Komponente. Nein, niemand
müsse seine Heizung herausreißen …
Sie hat einen
Fehler zugegeben. Wer macht das schon? „Die Härten der Spitzenpolitik führen
dazu, dass sich Politiker verpanzern. Dann dringen die Angriffe von Außen nicht
mehr ins Innerste“, schreibt die Journalistin Helene Bubrowski in
ihrem klugen Buch über die mangelnde Fehlerkultur in der deutschen Politik.
Und dass es sich meist nicht auszahle, Fehler zuzugeben.
So auch hier.
Es wurde nicht anerkannt, das Eingeständnis, dass der Entwurf des
Gebäudeenergiegesetzes Mängel hatte, dann wurde es als Argument gegen die Grünen gewendet.
Die können es nicht, bitte. Ausgerechnet Habeck, der Kanzler werden wollte. Und
das Wort von dem Privatesten der Bürger, nach dem diese übergriffigen Grünen schielen,
gewinnt Land, es wird in medialen Schleifen, in allen Zeitungen, in Hunderten Artikeln, in Nachrichtensendungen und Politrunden wiederholt, in
alle bundesdeutschen Ohrmuscheln geträufelt, bis es sich durchgeätzt hat in die
Gehirne. Es funktioniert.