Das Öl ist der
Stoff, der über Russlands Niedergang oder Aufstieg entscheidet. Das Öl ist der
Brandbeschleuniger, der Russlands Krieg gegen die Ukraine befeuert. Das Öl ist
der Stoff, der Putins Regime stabilisiert. Und der Ölpreis sinkt seit Monaten.
Der
Preisverfall wirkt sich unmittelbar auf das Kriegsbudget von Wladimir Putin
aus. Die russischen Finanzbeamten haben sich verschätzt. Sie mussten ihre
Prognosen für den Erlös aus dem Rohölverkauf 2025 bisher um 24 Prozent nach
unten korrigieren. Für Putin ist das eine schlechte Nachricht. In den Jahren seit 2022 konnte er mit hohen Preisen für Öl und Gas seinen Feldzug gegen die Ukraine finanzieren.
Warum also sinkt
der Ölpreis auf einmal – und welche Auswirkungen hat das für den russischen
Krieg?
Ein Grund
liegt im Bruch der saudisch-russischen Allianz für hohe Preise. Nach dem
präzedenzlosen Preisverfall in der Pandemie hatten sich Saudi-Arabien und
Russland auf Exportkürzungen geeinigt, um die Preise nach oben zu treiben. Noch
im vergangenen Jahr kappten viele Opec-Länder gemeinsam mit Russland ihre Produktion.
Das spülte Geld in die Kasse, aber zu einem hohen Preis. Die Ölsupermacht
Saudi-Arabien verlor stark Anteile am Weltmarkt. Amerikanische und
afrikanische Exporteure füllten die Lücken, die die Saudis hinterließen.
Russlands Wirtschaftswachstum knickt ein
Das
ärgert die Ölverantwortlichen in Saudi-Arabien gewaltig, sie wollen diese Marktanteile jetzt zurückerobern. Und
das geht nur mit einer Preisschlacht: billiger produzieren als die
amerikanische Konkurrenz. Die Saudis setzten in der Opec die Erhöhung des vereinbarten
Produktionsausstoßes durch. Entsprechend fallen seit Monaten die Preise –
kurzfristige Ausreißer nach oben konnten das Gesamtbild bisher nicht ändern.
Hinzu kommt
die lahmende Weltwirtschaft. China findet nicht aus seiner hausgemachten
Stagnation heraus. Donald Trump rüttelt die Weltwirtschaft regelmäßig mit neuen
„Befreiungstagen“ und Zollmassakern durch. Das Vertrauen in einen steten
Aufschwung ist erschüttert.
Die Folge dieser Krisenanzeichen: Weltweit ist
in diesem Jahr weniger Öl nachgefragt worden als in den Jahren davor. Und das trifft Russland, das
ohnehin nur noch einen Teil der Welt beliefert, direkt. In Putins Reich selbst geht
der Kriegsboom zu Ende. Die überschießenden Einnahmen aus der Produktion von
Waffen und Munition sind längst ausgegeben. Das russische Wirtschaftswachstum
knickt ein.
Die EU will da
nachhelfen. Die Kommission hat angekündigt, sie wolle den Preisdeckel für
russisches Öl von 60 auf 45 Dollar absenken. Das heißt, Reedereien dürfen
russisches Öl nicht mehr transportieren, wenn es mehr als 45 Dollar pro Fass
kostet. Außerdem will die EU weitere 77 Schiffe der russischen Schattenflotte
mit Sanktionen belegen. Erstmals plant die EU, Importe von Ölprodukten aus
Drittstaaten wie der Türkei oder Indien zu verbieten, wenn diese mit russischem
Öl hergestellt wurden.
Auch den Gasimport nimmt die EU ins Visier. Damit die
Nord-Stream-Pipelines auf keinen Fall wieder ans Netz gehen, will die EU das
Röhrenwerk sanktionieren. Kanzler Friedrich Merz unterstützt das Verbot der
Inbetriebnahme. Hier zeichnen sich die Sanktionen ab, die Merz selbst vor einem
Monat in Kyjiw angekündigt hat, falls Russland keiner Waffenruhe zustimmt.
Putins
Sprecher Dmitri Peskow sagt, das rühre Russland alles gar nicht. Man sei auch
bisher mit den Sanktionen klargekommen. Aber die hektischen Rochaden von Putins
Finanzplanern lassen ahnen, wie sehr der Druck auf die Regierung steigt. Die
laufenden Budgetkorrekturen führen dazu, dass Russland in die letzten
verbleibenden Töpfe greifen muss. Der Nationale Wohlstandsfonds wird
geplündert. Russland kann sich auch die massive Stützung des Rubels nicht mehr
leisten wie bisher.
Am wichtigsten
aber für Putin: Viele russische Behörden in der Provinz können Putins Invasoren
in der Ukraine nicht mehr den hohen Sold zahlen. Bisher haben sie
Vertragssoldaten mit viel Geld in den Krieg gelockt. In den Regionen sinken die
Gehälter für Rekruten und Vertragssoldaten, zum Beispiel im Gebiet von Samara
um 30 Prozent und im Gebiet von Nischni Nowgorod um 50 Prozent.
Heißt das,
dass Putin allmählich die Luft für seine Abnutzungsschlachten ausgeht? Davon
ist bisher nicht auszugehen. Aber die Fassade der Normalität in Russland als
krasser Gegensatz zum Gemetzel in der Ukraine mit weit über einer Million Toten
und Verletzten bröckelt. Russland zahlt für seinen Krieg einen immer höheren
Preis.