Psychedelisches Müsli

Popstars haben ja jetzt , wie das Kaiserreich oder die Bundesrepublik, Adenauer, Kohl, Synthpop, Weltende. Diese Ären umfassen meist ein oder zwei stilistisch ähnliche Alben. Taylor Swift hat das mit ihrer -Tour gut monetarisiert: -Ära, -Ära, -Ära, fuck Konsistenz, wenn die Leute Indie wollen, kriegen sie Indie, Hauptsache, die Kostümwechsel knallen. Danke dafür, David Bowie.

Wenn irgendein anderer Popstar neben Swift genuin in Ären lebt, dann Miley Cyrus. Schon ihre gesamte Karriere arbeitet sie sich durch die Genres: Es gab die Hannah-Montana-Ära, die -Ära, Country, Chartspop, hatten wir Chanson? Man muss sich diese Popstars eigentlich nicht mehr als Popstars vorstellen, sondern als Kontinente, auf denen zum Beispiel irgendwann das Zeitalter des R-’n‘-B anbricht. Luther schlägt die neue Tracklist an die Kirchentür, Rebellion bricht aus, ein paar und zwei Drummer werden hingerichtet, Fanhorden migrieren verwirrt hin und her, Miley Cyrus schaut intensiv in eine bisher unentdeckte Ecke ihres begehbaren Kleiderschranks, und – hört die Trompeten! Ein neues Äon hat begonnen!

Mit  ist diesmal das Zeitalter der psychedelischen Prog-Pop-Oper angeklungen. Wobei man über den psychedelischen Anteil streiten kann: Cyrus‘ Einflüsse sind eklektisch, aber insgesamt fühlt man sich eher in einem frühen Tarantino-Episodenfilm als auf einem Floß mit den 13th Floor Elevators. Es sei ihr gegönnt: Nachdem sie ihren Grammy gewonnen hatte, wollte sie wohl einfach machen, worauf sie Lust hat. Auf  hatte sie offenbar große Lust. 

Der Film zum Album erscheint im Juni, aber man kann ihn jetzt schon in der DNA des Albums hören. Inspiriert wurde Cyrus von  von Pink Floyd, heißt es, der erste Track ihres neuen Albums, , erinnert aber mehr an Edgar Froeses -Soundtrack aus dem Jahr 1982. Dazu spricht Cyberpunk-Hohepriesterin Miley ihre Prophezeiung: von Zügen, vorbeihuschenden Landschaften, luziden Träumen. Ein abysstiefer, wimmernder Bass warnt uns vor einer unbestimmten Gefahr: Wir rasen durch die musikalische Neonlicht-Dunkelheit, auf Motorrädern, von allen Seiten wird geschossen. Streicher fallen aus einem Helikopter, im Todessturz noch den Sonnenaufgang herbeifiedelnd. 

Das Titelstück, unmittelbar darauf, ist dann soulig, mit schleppendem Rhythmus, Saxofon. Sind wir schon im Paradies? Ein Glanzstück. Man erkennt den Einfluss ihres Produzenten, Shawn Everett. Alles glimmt, bis gegen Ende des Songs Lärm einbricht, der sich sofort wieder zurücknimmt. Wenn man nicht genau aufpasst, kann man die Lyrics als “ misshören, aber das liegt vielleicht auch am aktuellen Amerika.  evoziert Dolly Parton plus Disco plus Kellog’s-Werbespot-Vibes. Man kann sich gut vorstellen, dass jemand dazu Müsli anrührt. Glücklich, immerhin. Glückliches psychedelisches Müsli.

In der zweiten Hälfte des Albums verschiebt sich der Fokus Richtung Dancemusik, Vier-Viertel-Takte dominieren, ein wabbliger Bass schaut vorbei.  klingt, als hätte Miley  von den Pet Shop Boys gefressen und gut durchgekaut wieder ausgespuckt. Am Ende ist man angenehm erschöpft wie nach einer Nacht an einer Kneipenjukebox: Als episches Opus funktioniert erstaunlich gut. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Cyrus dem reinen Kommerz verwehrt: Schon auf (2015) verloren Songs die Fassung, nahmen Umwege, schwaderten dahin.  ist im Ansatz ähnlich, aber in der Ausführung viel besser gelungen. Und damit das bisher beste Album von Miley Cyrus. Man kann sich auf den Film zum Album bedenkenlos freuen – und auf die nächste Ära sowieso.

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