Zahlreiche ehemalige polnische Dissidenten und Aktivisten der Solidarność-Bewegung haben in einem offenen Brief die Angriffe von US-Präsident Donald Trump auf den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj verurteilt. Unterzeichnet wurde der Brief auch vom früheren polnischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa, der das Schreiben auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte.
Das Gespräch zwischen Trump, dessen Vize J. D. Vance und Selenskyj im Weißen Haus am vergangenen Freitag hätten sie mit „Entsetzen und Widerwillen“ verfolgt, schreiben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. Dass Trump von Selenskyj Dankbarkeit und Respekt eingefordert habe, bezeichnen sie als beleidigend. Dankbarkeit gebühre vielmehr den „heldenhaften ukrainischen Soldaten, die ihr Blut vergießen, um die Werte der freien Welt zu verteidigen“.
Eklat im Weißen Haus
Mit Blick auf die Vorführung Selenskyjs im Oval Office vor laufenden Kameras zogen die Unterzeichner auch historische Parallelen: Die Atmosphäre des Gesprächs habe sie an die Verhöre des kommunistischen Geheimdienstes in Polen erinnert, schreiben sie. Vor Gericht hätten Richter und Staatsanwälte politisch Verfolgten damals ebenfalls erklärt, dass sie „alle Karten in der Hand haben und wir keine“.
Trump hatte am Freitag in aggressivem Tonfall gesagt, Selenskyj habe „keine Karten in der Hand“. Selenskyj sagte daraufhin: „Ich spiele nicht mit Karten.“ Im Verlauf des Gesprächs warfen sowohl Trump als auch Vance Selenskyj einen Mangel an Dankbarkeit vor und beschuldigten ihn, keinen Frieden zu wollen. Trump forderte von Selenskyj, einen „Deal“ mit Russland einzugehen – obwohl es ein entsprechendes russisches Angebot nicht gibt. Das lange erwartete Gespräch zwischen Trump und Selenskyj wurde schließlich abgebrochen, ohne dass die beiden ein geplantes Rohstoffabkommen unterzeichneten. Vermutet wird, dass Trump und Vance den Eklat vorab geplant hatten. In Europa wächst die Befürchtung, dass die neue US-Regierung die Unterstützung für die Ukraine vollständig einstellen und sich weiter vom europäischen Kontinent abwenden könnte.
Verweis auf Trumps Vorgänger
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts habe gezeigt, dass eine Abkehr der USA von demokratischen Werten und ihren europäischen Verbündeten letztlich zur Bedrohung für die Vereinigten Staaten selbst werde, schreiben Wałęsa und seine Mitunterzeichner. Dies habe der damalige US-Präsident und spätere Friedensnobelpreisträger Woodrow Wilson, der 1917 den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg beschlossen hatte, verstanden, ebenso wie Franklin D. Roosevelt, unter dem die USA an der Seite der Alliierten gegen Nazideutschland kämpften. Den früheren republikanischen Präsidenten Ronald Reagan würdigen die Unterzeichner für seinen – auch finanziellen – Beitrag zum Scheitern der Sowjetunion. Reagan habe in der Sowjetunion ein „Reich des Bösen“ gesehen und erkannt, dass Menschen im damaligen Ostblock ihre Freiheit der Verteidigung demokratischer Werte geopfert hätten.
An Trump appellieren die Unterzeichner, im Geiste Reagans zu handeln und die materielle Hilfe für die Ukraine fortzusetzen. „Ein Menschenleben ist unbezahlbar, sein Wert lässt sich nicht in Geld messen“, schreiben sie. Trump erinnern sie zudem an die Verpflichtungen der USA im Rahmen des Budapester Memorandums von 1994. Darin hatten sich die USA, Großbritannien und Russland auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine geeinigt. Im Gegenzug gab die Ukraine ihre Atomwaffen aus sowjetischer Zeit ab. „Diese Garantien sind bedingungslos“, heißt es in dem offenen Brief. Von einem wirtschaftlichen Tauschgeschäft sei im Budapester Memorandum nicht die Rede.