Pflegeheimen fehlen oft Internetanschlüsse

Der Zugang zum Internet gleicht für Menschen in Seniorenheimen in Deutschland einem Glücksspiel – und hängt von ihrem Wohnort ab. Vor allem in Süddeutschland fehlen gesetzliche Verpflichtungen für Internetanschlüsse in Alten- und Pflegeheimen. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Vergleichsportals Verivox hervor, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegt.

Demnach gibt es in vier Bundesländern keine Vorschriften für ein Internet-Angebot. Mit Bayern und Baden-Württemberg gehören zwei der bevölkerungsreichsten Bundesländer dazu, außerdem noch Thüringen und das Saarland. Zwar hatte die Ampel-Regierung in ihrer Digitalstrategie die Absicht geäußert, sich für eine stärkere digitale Teilhabe älterer Menschen einzusetzen. So will sie sich daran messen lassen, ob „zunehmend mehr ältere Menschen und Pflege(fach)kräfte durch die souveräne und selbstverständliche Nutzung digitaler Angebote eine spürbare Unterstützung und Entlastung erfahren“ und ob „die digitale Teilhabe älterer Menschen oder von Menschen mit Beeinträchtigungen wirksam gestärkt werden konnte“.

Doch bundesweite Regelungen hat sie nicht geschaffen. Deswegen erschöpfen sich nach wie vor die bestehenden Vorschriften auf Heimgesetze, die es nur auf Länderebene gibt.

Hier sind die Unterschiede groß. Nicht immer sind die Regeln verpflichtend. In Hessen muss es nur eine Internetversorgung geben, „sofern dies möglich ist“. Während Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern schon 2010 Vorschriften getroffen haben, gibt es sie in Sachsen erst seit diesem Jahr.

„Der föderale Flickenteppich macht eine digitale Teilhabe älterer und pflegebedürftiger Menschen zum Lotteriespiel“, sagt Jörg Schamberg, Telekommunikationsexperte bei Verivox. Zudem sei die Verfügbarkeit eines Internetanschlusses nicht nur abhängig von Bundesland und Standort, sondern auch vom Heimbetreiber.

Hier scheint die Transparenz nicht allzu hoch zu sein. Verivox hat die zehn größten Betreiber von Alten- und Pflegeheimen gefragt, ob sie ihren Bewohnern WLAN zur Verfügung stellen. Sechs der Betreiber reagierten auch auf mehrfache Nachfragen nicht. Zwei weitere wollten sich zum Thema nicht äußern.

Nur der nach Bettenzahl zweitgrößte Betreiber Korian und die Evangelische Heimstiftung beantworteten die Anfragen. Bei Korian stehe drahtloses Internet in allen Pflegeeinrichtungen grundsätzlich zur Verfügung oder sei derzeit im Aufbau. Bei der Evangelischen Heimstiftung sollen rund zwei Drittel der Pflegeheime mit WLAN ausgestattet sein.

Heimbetreiber müssen investieren

Viele Heimbetreiber bieten nach Angaben von Verivox Internetzugang nur als Zusatzleistung an, wie aus den Internetpräsenzen hervorginge. Einrichtungen wie Johanniter, Azurit-Hansa-Gruppe und Alloheim beschränken dies oft auf sogenannte „Komfortzimmer“ oder stellen Internetzugang teilweise gegen Aufpreis bereit.

Vor drei Jahren hatte Verivox schon einmal zur WLAN-Versorgung in Alten- und Pflegeheimen recherchiert. „Seit 2021 hat sich erschreckend wenig getan“, sagt Schamberg. „Ohne eine bundesweite Pflicht zur Internetversorgung von Alten- und Pflegeheimen bleibt die soziale Teilhabe älterer Menschen radikal beschnitten.“

Wie bedeutsam digitale Kommunikation gerade für weniger mobile Menschen sein könne, habe die Pandemie gezeigt. „Es ist ein Armutszeugnis für alle Beteiligten, dass aus diesen Erfahrungen keine verbindlichen Vorgaben resultierten“, sagt der Verivox-Experte.

Der Aufbau einer digitalen Infrastruktur kann für die Heimbetreiber allerdings kostspielig sein. Die Evangelische Heimstiftung bezifferte 2021 die Kosten für eine kleine Einrichtung nach Verivox-Angaben auf rund 90.000 Euro, für große Häuser mit 130 Plätzen sogar auf 270.000 Euro – und drei Monate Bauzeit. Tatsächlich ist digitale Infrastruktur in Seniorenheimen nicht nur eine Voraussetzung für den Kontakt zu Verwandten, sondern auch für moderne Pflegekonzepte wie Telemedizin und Assistenzsysteme.

Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.