Dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz (68) ist mit seinem Angebot eines Asyl-Deals an Kanzler Olaf Scholz (66, SPD) ein politischer Coup gelungen. Der Oppositionschef treibt die Ampel vor sich her, der Regierungschef muss reagieren. In der Partei wird das als große Leistung gefeiert, Merz’ Auftritt in der Bundespressekonferenz nach dem Kanzler-Gipfel sei sein bislang bester.

Nach BILD-Informationen aus Präsidiumskreisen soll Merz sich am Samstagvormittag, wenige Stunden nach dem Attentat von Solingen, entschieden haben, einen größeren Aufschlag zu entwerfen. Und das Thema so in der Woche vor den gefürchteten Ost-Wahlen ins Zentrum zu rücken.

Zunächst hatte Merz noch einen Tweet ohne konkrete politische Botschaft abgesandt. Das entsprach der Strategie, die für Merz bis dahin unumstößlich war. Er hatte nie geplant, die Migrationskrise zum Wahlkampfthema zu machen. Das „helfe“ nur der AfD und erinnere die Leute an die „Mitschuld der CDU durch die Fehler der Merkel-Regierung“, hieß es immer wieder.

Doch an diesem Sonnabend der Ohnmacht, an dem die Republik angesichts der gigantischen Migrations- und Sicherheitskrise in kollektive Verzweiflung geriet, legte Merz – auch angesichts des drohenden AfD-Durchmarschs im Osten – den Hebel umso entschiedener um. Merz hatte erkannt: Das Thema wird zu groß, um es weiter nebenbei abzuhandeln. Und könnte ihn bis ins Kanzleramt tragen.

Er verfasste also die „MerzMail“ an seine Unterstützer mit den Forderungen an den Kanzler (u. a. Aufnahme-Stopp von Syrern), die BILD Sonntagvormittag exklusiv vorab veröffentlichte.

In Merz war die Entscheidung gereift, den Kanzler bei dem lange verabredeten Treffen am Dienstag gebündelt mit all dem zu konfrontieren, was die Union zur Lösung der Migrationskrise entwickelt hatte. Dabei sprach er auch die von Merkel begangenen Fehler in der Migrationsfrage an – um die Glaubwürdigkeit für die Union bei dem Thema zurückzuerlangen.

Die Volte kann sich für ihn nun auszahlen. Denn: Merz dominiert mit seinen Forderungen wie dem Ausrufen einer Notlage, um die Grenzen zu schließen, seit Tagen die politische Debatte.

Sollten die Ost-Wahlen für die CDU am Sonntag einigermaßen glimpflich ausgehen, werde das dann Merz zugerechnet, heißt es. Vorausgesetzt, dass Michael Kretschmer (49) in Sachsen klar weiter regieren kann und Mario Voigt (47) in Thüringen Platz Zwei erreicht.

Dann könne Merz die Chancen nutzen und schon in den Tagen darauf bei CSU-Chef Markus Söder (57) anrufen, um ihm mitzuteilen, dass er Kanzlerkandidat werden wolle – so wird in hohen Parteikreisen spekuliert. Söder will die Entscheidung hingegen in die Länge ziehen und sie am liebsten erst nach der Wahl in Brandenburg (22. September) fällen.

Auch Söder wurde von Merz’ Asyl-Coup kalt erwischt. Der bayerische Ministerpräsident wollte sich am Abend nach dem Auftritt von Merz in der Bundespressekonferenz auf BILD-Anfrage nicht äußern. Am Mittwochmorgen twitterte er dann auch über Migration, ohne Merz zu erwähnen.

Hinter den Kulissen verteilt Merz nach BILD-Informationen schon Aufträge, wie die Bundesregierung weiter getrieben werden kann. Innenexperte Alexander Throm (55) ist demnach dabei, die ersten Anträge für den Bundestag vorzubereiten.

Merz will das Momentum nutzen.