„Riskant – aber könnte klappen“, so das Urteil von Asyl-Experte Professor Daniel Thym (50, Uni Konstanz) zu Merz’ Asyl-Notlage-Plan.
CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz (68) hatte am Dienstag angekündigt, in der Asyl-Krise zu härteren Mitteln greifen zu wollen und eine „nationale Notlage“ ausrufen zu wollen, sollte die EU nicht sicherstellen, dass das geltende Dublin-Verfahren funktioniert.
Das Dublin-Verfahren regelt, welches Land innerhalb für Asylverfahren Ankommender zuständig ist – nämlich das Land, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten. Viele reisen allerdings nach Deutschland weiter. Hier muss dann geprüft werden, ob ein anderes Land für das jeweilige Verfahren zuständig ist. Wenn ja, hat Deutschland das Recht, die Menschen zurückzuschicken. Aber viele Länder halten sich nicht an die Regeln und verweigern die Rücknahme.
Deswegen will Merz ankommende Flüchtlinge jetzt gleich an der deutschen Außengrenze zurückweisen – und sich somit selbst nicht an EU-Recht halten. Heißt: Grenzen dicht!
Bundesregierung kann „nationale Notlage“ ausrufen
„In Ausnahmefällen ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, sich nicht an das geltende EU-Recht zu halten und stattdessen nach dem eigenen nationalen Recht zu handeln“, erklärt Thym. Voraussetzung: Die Asyl-Krise gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Land.
► Ob das der Fall ist, kann zunächst einfach die Bundesregierung festlegen, erklärt der Experte. „Wenn sie auf ‚Nummer sicher‘ gehen will, muss die Regierung außerdem das Asylgesetz ändern. Aktuell ist unklar, ob Deutschland Menschen an seinen Außengrenzen zurückweisen kann.“
Alle „Notlage“-Fälle wurden abgelehnt
Allerdings überprüfen dann Gerichte, ob Deutschland wirklich berechtigt war, auf EU-Recht zu pfeifen.
„Es gab bereits zehn Fälle, in denen Mitgliederstaaten von der Ausnahme-Regel Gebrauch machen wollten – alle sind vor Gericht gescheitert“, so Thym. Allerdings seien das auch „lapidare“ Fälle gewesen. Prominentes Beispiel: Ungarn, Polen und Tschechien hatten sich nach 2015 geweigert Flüchtlinge aufzunehmen. Begründung: eine nationale Krise durch die Zuwanderung. Der Europäische Gerichtshof urteilte aber, das war ein Verstoß gegen EU-Recht!
Es geht um eine „Signalwirkung“
Und auch mit Blick auf eine deutsche nationale Notlage sieht Thym durchaus ein rechtliches Risiko. Aber der Experte sagt auch: „Die Gerichte brauchen lange, um Deutschland wirklich zu verklagen. Außerdem geht es ja nicht darum, dauerhaft die Grenzen dichtzumachen.“
Es gehe „vielmehr um eine Signalwirkung“, so Thym. „An die illegalen Flüchtlinge, dass die Zeit der Willkommenskultur vorbei ist. Und auch an die Nachbarländer, ebenfalls strenge Regeln anzuwenden.“
Thym: „Die Maßnahme könnte für eine Abschreckungswirkung mit Dominoeffekt sorgen.“