Nach Palästina-Protesten aufgegeben – Der umstrittene Israel-Rückzug von Pret A Manger

Der Starbucks-Konkurrent Pret A Manger gerät zwischen die Fronten der Nahost-Aktivisten. Die Kaffeehauskette, die zur JAB-Holding der deutschen Industriellen-Familie Reimann gehört, steht von zwei Seiten unter Druck: Anfang des Jahres gab es in Filialen im Heimatland Großbritannien Proteste von Palästinenser-Gruppen und der israelfeindlichen Boykott-Bewegung BDS, weil Pret A Manger Filialen in Israel eröffnen wollte. Nach der Absage der Expansions-Pläne gibt es nun Gegenaktionen von Israel-Unterstützern in London – zur Genugtuung wohl auch der geschassten Geschäftspartner in Tel Aviv.

„Wir rufen Pret A Manger auf, seinen Kurs zu korrigieren, seine diskriminierende Entscheidung zurückzunehmen und auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen“, schrieb der Gründer der Londoner Pro-Israel-Gruppe „Stop The Hate“, Itai Galmuny, diese Woche in einem offenen Brief an die Manager der Kette. Die Kette dürfe nicht vor der spalterischen BDS-Bewegung kapitulieren. Andernfalls werde es weitere Aktionen geben. „Stop The Hate“ hatte bereits Anfang September vor einer Pret-Filiale in London mit einer kleinen Gruppe Aktivisten demonstriert.

Hinter dem Konflikt stehen allerdings nicht nur moralische Interessen. Es geht auch um wirtschaftliche Aspekte. Schließlich hatte Pret bereits Ende 2022 seine Israel-Expansion mit bis zu 40 Standorten angekündigt – und dafür einen Vertrag mit dem israelischen Handelskonzern Fox Group geschlossen.

Das börsennotierte Unternehmen ist in Israel und weiteren Ländern als Franchise-Partner etwa für Läden von Nike, Foot Locker oder Mango aktiv und betreibt so mehr als 1000 Läden. Nach früheren Angaben investierten Fox und ein Partner knapp zehn Millionen Euro in den Start der Kaffeehauskette – Geld, das nun verloren sein könnte.

Denn im Juni kündigte Pret an, den Start aufzugeben. Offizielle Begründung: Geschäftsreisen nach Israel seien für die Pret-Mitarbeiter aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich. Daher sei es nicht möglich, die Teams in Israel für das Franchise-System zu schulen, sagte eine Sprecherin WELT. Das Unternehmen sei der Fox Group für die Kooperation zwar dankbar, habe aber in der aktuellen Lage keine Chance, Läden zu eröffnen. Aus dem Umfeld von Pret heißt es, die Entscheidung sei nicht mit den BDS-Protesten verknüpft.

Offenbar kam es in den Wochen nach der Ankündigung zu keiner Einigung mit der Fox Group über einen möglichen späteren Start oder Entschädigungszahlungen. Die israelischen Partner bedauerten die rechtlich unzulässige Entscheidung von Pret, die aus „unsauberen und ungültigen Motiven“ erfolgt sei, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Die Unternehmen wollten nun ihre Rechtsposition sichern. Anscheinend fühlen sich die Manager in einer für ihr Land kritischen Situation alleingelassen.

Auch andere Marken sagen Start in Israel ab

Die Proteste der Londoner Aktivisten könnten den Druck auf Pret, doch noch zu einer Einigung zu kommen, erhöhen. Die junge Gruppe „Stop The Hate“ – nicht zu verwechseln mit der ebenfalls britischen, etablierten Antidiskriminierungs-Organisation „Stop Hate“ – war von dem israelisch stämmigen Gastronomie-Manager Itai Galmuny in London als Reaktion auf die antiisraelischen Proteste nach Beginn des Gaza-Kriegs gegründet worden.

„Stop The Hate“ ruft regelmäßig zu Gegendemonstrationen bei palästinensischen Protesten auf. Für den Protest gegen Pret – mehrere Wochen nach der Rückzugs-Entscheidung – hatte die Gruppe sogar in einer ganzseitigen Anzeige in der Zeitung „The Telegraph“ geworben. Eine solche Anzeige kostet laut Preisliste eine fünfstellige Summe. Eine Anfrage, inwieweit die spendenfinanzierten Aktivisten bei ihrem Protest gegen Pret mit der Fox Group kooperieren, ließ die Gruppe zunächst unbeantwortet.

Auch andere Marken haben ihren Start in Israel wegen des Konflikts zuletzt abgesagt. Eine der wenigen Ausnahmen ist die Unterwäsche-Marke Victoria’s Secret, die zwei Läden mit einiger Verspätung eröffnet hat – allerdings ohne großen Werberummel. Selbst McDonald’s reagierte auf Proteste in der muslimischen Welt: Es kaufte seinem israelischen Franchise-Nehmer, der Soldaten mit kostenlosen Mahlzeiten versorgt hatte, die 225 Restaurants in dem Land ab – offenbar, um die Kontrolle über solche strittigen Aktionen zurückzugewinnen.

Für internationale Kaffeehausketten gilt der israelische Markt selbst in Friedenszeiten als schwierig. Schon vor der Terroraktion der Hamas und dem folgenden Gaza-Krieg hatten Branchenkenner gewarnt, der Schritt von Pret nach Israel sei kein Selbstläufer. Der Markt wird dominiert von starken einheimischen Spielern.

Der Pionier Starbucks hatte sich bereits 2003 wegen ausbleibenden Erfolgs zurückgezogen. Doch selbst das ist keine Absicherung gegen BDS-Attacken: Die Aktivisten rufen zum Boykott der US-Kaffeekette auf, weil ihr Gründer Howard Schultz in andere israelische Unternehmen investiert habe. Er entstammt einer jüdischen New Yorker Familie.

Gefährlich könnte der Rückzug von Pret von seinen Israel-Plänen und die nun tobende PR-Schlacht auch für das Image der Holding JAB und ihre wohlhabenden deutschen Eigentümer werden. Die Familie Reimann hatte Finanzmanager in den vergangenen Jahren damit beauftragt, ihr Erbe aus dem Ludwigshafener Chemie-Konzern Benckiser in den Aufbau der weitverzweigten Firmenholding JAB zu investieren – unter anderem in mehrere Kaffeehausketten und Kaffeeimporteure. Die Familie selbst tritt dabei nicht in Erscheinung – und dürfte wenig Interesse daran haben, dass sich das nun ändert.

Ein JAB-Sprecher in New York wies die Verantwortung für die Entscheidung auf Anfrage bereits zurück: Zuständig sei allein Pret in London.

Christoph Kapalschinski ist Wirtschaftsredakteur in Hamburg. Er berichtet über Konsum, Einzelhandel, Landwirtschaft, Start-ups und Risikokapital.