Aus Bewunderung für die Kunst von Hape Kerkeling kommt man zu
Beginn der neuen Rostocker -Folge nicht umhin, an dessen
politischsten Stunt zu erinnern – den wildschweingeplagten
Kleingärtner Rico Mielke, der vor einem Vierteljahrhundert die Talkshow des berüchtigten Berliner Innensenators und CDU-Rechtsauslegers
Heinrich Lummer visionär sabotierte. Indem die Kerkeling-Figur etwa auf
die Auskunft des
zuständigen Revierförsters, man habe keine festen Abschusspläne fürs angebliche
Wildschweinproblem, in schönster Entrüstung ausrief: „Ach, wir schießen
einfach, wie wir lustig sind?“
Denn am Anfang von (NDR-Redaktion:
Philine Rosenberg) pirschen zwei junge Frauen übers freie Feld vor einem
Hochsitz. Und es wird geschossen, lustig ist hier allerdings nichts. Eine der
beiden Frauen, Sarah Volkmann (Raika Nicolai), die eben noch so toll übers Feld
gerannt war aus Entsetzen über ein totgeschossenes Reh (Kamera: Ina Blumers),
ist nun selbst tot.
Der hat damit eine ermittlungsstiftende
Leiche und ein „Thema“. Wilderei spielt eine Rolle, und woran die gut
informierte Zeitgenossin dabei denken muss, das lässt der Film seine Figuren
einfach selbst aussprechen (Drehbuch: Elke Schuch, Catharina Junk). Die
Revierförsterin (Annika Kuhl) erzählt vom Problem mit der unerlaubten Jagd auf
Tiere („Es ist richtig schlimm, es ist Krieg“) und will deswegen an
„Kusel“ in Rheinland-Pfalz erinnern, wie Frau König (Anneke Kim
Sarnau) auf die Wortfindungsschwierigkeit hin umgehend souffliert.
Dort sorgte 2022 ein Doppelmord für Aufsehen – zwei
Wilderer, die auf frischer Tat ertappt wurden, erschossen eine Polizistin und
deren Kollegen. Diese Geschichte
birgt einiges, was den ARD-Sonntagabendkrimi mit seinem Hang zum
Gesellschaftlichen interessieren könnte: die überraschende Gewalt gegen die
Staatsgewalt und zwei unternehmerische Scheiterer, die auch genderökonomisch etwas
hermachen könnten (für alle reicht’s nicht im Kapitalismus – und was das macht
mit Männern, die ihre Gefühle nicht zeigen können).
Der stellt dem Team Wilderei aber die
jungen Leute vom Tierschutz gegenüber. Die tun sich damit hervor, dass sie
Hochsitze ansägen, um in der Jägerszene Angst und Schrecken zu verbreiten, wie
es im richtigen
Leben mitunter vorkommt. Um die Wut in der Jägerfraktion im Film auf Motivtemperatur anzuheizen,
ist Hannes (Thilo Prothmann), der Bruder der Revierförsterin,
querschnittgelähmt seit seinem Sturz aus einem sabotierten Hochsitz.
Wie am Titel zu erkennen, hat für seinen
Mörder allerdings eine andere Erklärung vorgesehen: die Gene, die Urschuld, das
Sosein. Irgendwas scheint am amoralischen Täter,
der den Tod anderer kühl kalkuliert, faszinierend
zu sein, auch wenn das absolut Böse, das halt
so drin ist im Verbrecher, erzählerisch nicht viel hermacht.
Als Aspirant für die Täterrolle wird der Sohn von Fischräucherei-Betreiberin
Eva Greuner (gerade
für gefeierte: Jördis Triebel) dem Publikum vor
die Nase gehalten – der Vater von Milan (Eloi Christ) war nämlich ein „mehrfacher
Frauenmörder“, wie es einmal heißt. Weil im Whodunit die Person, die als
am verdächtigsten gestartet ist, wegen der Spannung selten auch als Mörder
ankommt, nimmt die Schuld am Ende Paul (Jonathan Lade) auf sich, der gewehrgeile
Sohn der Revierförsterin und anwanzerische Kumpel von Milan.
Die Frage, was böse biologische Väter in ihren Kindern bewirken, wird bei
Kommissarin Melly Böwe (Lina Beckmann) noch einmal gespiegelt. Da taucht
Tochter Rose (Emilie Neumeister) in Rostock auf, um rauszufinden, wer ihr Vater
ist. Was die Mutter ihr bislang wohl deshalb verschwiegen hat, weil auch Rose Folge
einer Vergewaltigung ist, wie die Kommissarin an anderer Stelle bemerkt. Damit
dürfte, wenn die Tochter am Ende wieder verschwindet, ein Nebenstrang etabliert sein,
der erzählerisch das Team in der Hansestadt in weiteren Episoden beschäftigen
wird.
Besonders ist der Rostocker wegen der Stammbesetzung
auf dem Revier und wie dort Konflikte ausagiert werden. Das kam zuletzt auch
mal etwas
angestrengter rüber. Everybody’s Volker (Josef Heynert) ist (Friedrich Merz), die Miesepetrigkeit, bei der
Bukoff-Nachfolge übergegangen worden zu sein, trudelt nun in erkennbar
bemühter, teils vielleicht noch passiv-aggressiver Freundlichkeit gegenüber der
ihm vorgezogenen Melly Böwe aus. Worüber sich Frau König dann lustig macht
(„Ist das jetzt deine neue Einschleimstrategie?“), was Volker, durchaus nachvollziehbar, mit einem Anpfiff
kontert, der sich gewaschen hat („Das nennt sich Empathie, kennste vielleicht
nicht“).
mag als Krimi konventionell sein und
einen Fall haben, der wenig diskursiven Überschuss produziert. In der
Revierinszenierung ist er genau (Regie: Alexander Dierbach), sodass das tolle
Schauspielensemble zeigen kann, wie viel Dramatik im vermeintlich banalen
Gerede untereinander steckt: Chief Röder (Uwe Preuss) schnarrt väterliches
Verständnis in Richtung Melly Böwe, und für kleine Frechheiten von Pöschi
(Andreas Guenther) reicht schon der eine, leicht entgeisterte Blick von Volker als
Reaktion, um Dynamik unter verschiedenen Menschen zu vermitteln, die nun mal
viel Zeit miteinander verbringen. Was will man mehr?