„Mich werden Sie nicht los“

DIE ZEIT: Billy Corgan, wo waren Sie, als sie von Ozzy Osbournes Tod gehört haben?

Billy Corgan: Ich bin noch immer in Großbritannien und probe mit den Smashing Pumpkins für unsere anstehende Europatour. Kurz nach meinem Auftritt mit Black Sabbath Anfang Juli kamen wir zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder zusammen, und ich erzählte den anderen alle Geschichten von dem Konzert. Als ich nach der Probe in meine Unterkunft kam, kam jemand angerannt und sagte: Ozzy ist gerade gestorben. Mein erster Gedanke war: Warte mal, ich habe ihn doch gerade erst gesehen! Ich konnte es nicht fassen.

ZEIT: Wie ging es weiter, nachdem Sie sich ein bisschen sammeln konnten?

Corgan: 50 Jahre als Fan von Ozzy schwirrten mir durch den Kopf, Gedanken an seine Familie, die ich im Lauf der Jahre kennengelernt habe. Auch persönliche Erinnerungen natürlich, die mir sehr am Herzen liegen, über die ich aber nicht sprechen möchte.

ZEIT: Beim Abschiedskonzert von Black Sabbath haben Sie den Song gesungen. Wie haben Sie den Abend erlebt?

Corgan: Es war eine Ehre, dabei zu sein, es war wunderschön. Und durch Ozzys Tod wird das Abschiedskonzert noch einmal ganz anders aufgeladen. Ich denke, man wird sich irgendwann daran erinnern als einen der größten Momente in der Geschichte des Rock ’n‘ Roll.

ZEIT: Mitglieder von Guns N‘ Roses, Metallica, Rage Against the Machine, Tool und zahlreichen anderen großen Bands der härteren Rockmusik sind an diesem Abend für und mit Osbourne aufgetreten.

Corgan: All diese Künstler sind natürlich Fans von Black Sabbath, aber sie waren auch dabei, weil sie Ozzy unterstützen wollten. Man wusste, dass er gesundheitliche Probleme hatte. Neben einem beruflichen hatten die Auftritte also auch einen persönlichen Aspekt. Ich habe keinerlei Ego-Gerangel wahrgenommen. Es ging einfach darum, Ozzy und seiner Frau Sharon einen letzten Wunsch zu erfüllen. Ohne Black Sabbath hätte es vielleicht keiner von uns aus den Proberäumen herausgeschafft, in denen wir als Teenager begonnen haben.

„Es gibt einfach keinen besseren Sound“

ZEIT: Viele Songs von Black Sabbath und Osbourne handeln vom Tod oder können zumindest so interpretiert werden. Auch deshalb fühlte sich das Abschiedskonzert, das man im Livestream verfolgen konnte, mitunter wie eine vorgezogene Beerdigung an. Ging es Ihnen ähnlich?

Corgan: Für mich war es ein Triumph, die größte Party, auf der ich je war. Und das Schönste daran war: Ozzy hat das Ende des Regenbogens gemeinsam mit seiner Band erreicht, ganz ohne große Posen. Der Abschluss der Show kam mir eher wie ein riesiger vor, was den Spirit von Black Sabbath noch einmal sehr schön einfing. Plötzlich stand Geezer Butler, ihr Bassist, mit einem Kuchen vor Ozzy, und der sagte nur: „Was zur Hölle willst du denn jetzt mit dem Kuchen?“

ZEIT: Wann haben Sie Black Sabbath zum ersten Mal gehört?

Corgan: Als Achtjähriger, aus reinem Zufall. Ich saß bei meiner Großmutter auf der Veranda und hörte mir einfach irgendeine Platte an, die ich aus dem Regal gezogen hatte.

ZEIT: Welche war das?

Corgan: , das dritte Sabbath-Album aus dem Jahr 1971. Der erste Song darauf heißt und beginnt mit einem Husten, was offensichtlich eine Anspielung auf jemanden ist, der Pot raucht. Dann kommt dieses unglaubliche Riff, , und dann Ozzys Stimme: Bis heute ist dieser Moment, der mehr als 50 Jahre zurückliegt, wie eine holografische Erinnerung in meinem Gedächtnis verankert. Es gibt einfach keinen besseren Sound. Ich habe millionenfach versucht, ihn mit den Smashing Pumpkins nachzuahmen.

ZEIT: Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Treffen mit Osbourne?

Corgan: Ich glaube, das war Ende der Neunzigerjahre. Tony Iommi, den Sabbath-Gitarristen, kannte ich schon, weil ich mit ihm an einem Album gearbeitet hatte. Ich war mit ihm im Studio und hörte Liveaufnahmen von Black Sabbath, als Ozzy plötzlich einfach so auftauchte. Tony saß links von mir, Ozzy rechts von mir, es war ein richtiges Black-Sabbath-Sandwich. Und ich weiß noch, dass wir die Musik unheimlich laut aufgedreht haben. Ein typischer Moment, in dem man sich denkt: Wie habe ich es nur so weit gebracht?!

ZEIT: Was können wir heute von Ozzy Osbourne lernen?

Corgan: Ozzy war kein überheblicher Mensch. Sehr interessant, nicht wahr? Er war ein riesiger Star und hat doch nie seine Bescheidenheit verloren. Das war auch keine Show. Der Typ, den man im Fernsehen sah, etwa in seiner Show , war der gleiche, den man hinter den Kulissen kennenlernte. Er war immer er selbst, er konnte gar nicht anders.

ZEIT: Während der Grunge-Ära in den Neunzigerjahren, in der auch sie mit den Smashing Pumpkins große Erfolge feierten, wurde auf Bands wie Black Sabbath oft herabgeblickt. Als coole Einflüsse galten eher Punk- und Indierockbands. Haben Sie das damals gespürt?

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