Friedrich Merz muss sich in diesen Tagen wie in einer Druckpresse fühlen.
► Der Fast-Kanzler von der CDU muss die hohen Erwartungen seiner eigenen Partei erfüllen. Die verlangt von ihm, dass er in den Koalitionsverhandlungen jetzt endlich Unionspolitik pur durchsetzt. Seine 180-Grad-Kehrtwende beim Thema Schulden strapaziert die Nerven der Parteifreunde. Vor der Wahl pries Merz die Schuldenbremse, nach der Wahl schaffte er sie mit einem Eine-Billion-Euro-Schuldenpaket faktisch ab. Jetzt steht er speziell bei Zuwanderung und Wirtschaftswende unter Lieferzwang.
► Die AfD sitzt ihm im Nacken. Die Rechtsaußen-Partei liegt im aktuellen Sonntagstrend nur noch vier Prozentpunkte hinter der Union. Offenbar nehmen die Bürger Merz den neuen Kurs übel. Laut ZDF-Politbaromter fühlen sich 73 Prozent der Wähler von ihm in Sachen Schulden getäuscht. Um nicht noch mehr Wähler nach rechts zu verlieren, müsste Merz seine konservativen Wahlversprechen durchsetzen.
► Doch gleichzeitig muss er höllisch aufpassen, dass ihm nicht die Sozialdemokraten, sein einzig möglicher Koalitionspartner, von der Stange gehen. Und die nutzen Merz‘ Zwangslage aus. Beharren weiter auf Unions-Quäl-Punkten wie 15 Euro Mindestlohn und Rentengarantie.
► Die Wirtschaftsverbände, vor der Wahl harte Merz-Unterstützer, reagieren genervt bis panisch auf den neuen Merz. Sie verlangen Steuersenkungen für Firmen, eine Rentenreform zur Verhinderung der Beitragsexplosion, keine politisch festgelegten Mindestlöhne.
Damit steckt Merz in der Zange.
Es hakt, knirscht und knallt an allen Ecken und Enden
Und das kurz bevor die entscheidende Phase im Koalitionspoker beginnt. Montag müssen die Arbeitsgruppen von Union und SPD ihre Ergebnisse vorlegen.
Schon jetzt ist klar: Es hakt, knirscht und knallt an allen Ecken und Enden. Die Chefverhandler-Gruppe mit den Parteichefs Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken von der SPD sowie CSU-Boss Markus Söder (58) muss ab kommender Woche sehr, sehr viele Streitpunkte lösen.
Die härtesten Konflikte gab es in der Arbeitsgruppe „Haushalt, Finanzen und Steuern“. Inklusive Verhandlungsabbruch!
Auslöser war laut FAZ der SPD-Vorschlag, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen (60, SPD) stellte die gemeinsame Besteuerung von Eheleuten als einen Grund dar, der Frauen in extrem schlecht bezahlten Jobs halte. Darauf warf ihr CSU-Haushaltsexpertin Mechthilde Wittmann (57) die Frage an den Kopf, ob sie wirklich die Frauen für so blöde halte. Die sieben SPD-Verhandler verließen geschlossen den Raum. Kehrten aber laut Unions-Seite nach anderthalb Stunden zurück.
Dass der Eklat überhaupt öffentlich wurde, zeigt, wie groß die Nervosität der Verhandler ist. Sie stritten bei Finanzen über fast alles. Die SPD wollte den Spitzensteuersatz auf 47 Prozent anheben, nur niedrige und mittlere Einkommen entlasten. Abgelehnt, lautete die Unions-Antwort.
Dafür bremste die SPD Steuersenkungen für Unternehmen aus. Die sollen erst 2029 sinken, um gerade mal einen Prozentpunkt auf 29 Prozent. Zu wenig, zu spät für CDU/CSU. Unions-Verhandler bezeichneten in der FAZ die Gespräche als „deprimierend“ und „bis ins Mark frustrierend“.
Heftiger Streit über Zurückweisungen von illegalen Migranten
Nicht weniger heikel ist für Merz der Zoff bei Migration. Da streiten die Parteien weiter heftig über Zurückweisungen. Die Union will Flüchtlinge auch dann in Nachbarländer abschieben, wenn die nicht zustimmen. Und damit Merz‘ zentrales Wahlkampfversprechen erfüllen. Die SPD beharrt hingegen auf einer Einigung mit den EU-Partnern.
Was passiert, wenn die Union mit linken Parteien verhandeln muss, kann sich Merz gerade in Thüringen angucken. CDU-Ministerpräsident Mario Voigt brauchte bei der Verabschiedung des Haushalts wegen der AfD-Brandmauer auch noch Stimmen der Linkspartei. Die setzte durch, dass es kein Geld für den von Voigt versprochenen Abschiebeknast gibt.