Tiflis – Gellende Pfiffe aus Tausenden von Pfeifen, Feuerwerkskörper explodieren an der Fassade des Parlamentes.

In der Luft liegt der beißende Geruch des Tränengases. Vorrückende Polizeitrupps drängen die Menschen in Georgien mit Schlagstöcken auseinander. Mein Land, meine Heimat kämpft. Für die Freiheit, für einen Platz in Europa. Seit drei Nächten stehe ich, BILD-Reporterin, auf dem Platz vor dem Parlament.

► Der zentrale Ort unserer Demokratie. Und mein Herz blutet. Wie das meiner Landsleute. Ich bin Georgierin. Ich bin hier geboren. Vor zwanzig Jahren ging ich zum Studium nach Deutschland. Jetzt berichte ich über mein Land, das von außen zerrissen wird. Vom massiven Einfluss Russlands, von einer Regierung, die durch und durch korrupt ist. Ich versuche, neutral zu bleiben.

Ich bin ehrlich: Es fällt mir schwer. Ich stehe neben Menschen, die aus allen Bereichen der Gesellschaft kommen. Arbeiter, die sich jeden Abend nach der Schicht hier treffen, Studenten und Professoren, Busfahrer oder Krankenpfleger. Ich spreche mit ihnen. Alle haben nur einen Wunsch: ein friedliches Georgien in Freiheit und unter einem europäischen Dach.

In diesen kalten Nächten wird dieser Wunsch niedergeknüppelt. Die Einheiten der Polizei haben die Schlagstöcke, verschießen Tränengas. Meine Landsleute wehren sich mit Gesang, einige mit Laserpointern, um mit dem Strahl den vorrückenden Polizisten die Sicht zu nehmen. Gestern Nacht bin ich mit meinen Landsleuten wieder gerannt. Weg von den knüppelnden Trupps und dem Tränengas.

Trotzdem hat mich eine Ladung voll erwischt. Ein Student kam mir zu Hilfe, reinigte meine Augen mit einer Spülung. In diesen Momenten helfen wir uns alle gegenseitig. Ich habe 2008 von Deutschland aus mit Angst verfolgt, wie russische Truppen in meine Heimat einmarschierten, Bomben auf Städte abgeworfen wurden und ihre Panzer fast bis nach Tiflis vorgerückt sind.

Ich bete für meine Landsleute und mich, dass wir das nie mehr erleben müssen.