Die Wut kocht in Serbien! Am Samstag gingen bis zu 325.000 Menschen auf die Straße, um gegen Korruption und die Regierung von Präsident Aleksandar Vucic (55) zu protestieren.

Auslöser der Proteste war der verheerende Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad mit 15 Toten am 1. November vergangenen Jahres. Seitdem brodelt es in dem Balkan-Staat. Kritiker werfen Vučić vor, seine Macht auf korrupte Netzwerke, eingeschränkte Medienfreiheit und manipulierte Wahlen zu stützen. Die Kontrolle über die Justiz ermögliche es ihm, Zustände aufrechtzuerhalten, die im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit stehen.

Regierungsanhänger provozieren Eskalation

Schon Stunden vor Beginn der Kundgebung füllten sich die Straßen entlang der zwei Kilometer langen Demonstrationsroute. Studenten, Bauern und Bürger zogen gemeinsam Richtung Zentrum der serbischen Hauptstadt Belgrad.

Auf dem zentralen Slavija-Platz skandierte die Menge: „Pumpaj! Pumpaj!“ (Deutsch: „Pumpe! Pumpe!“), ein Ausdruck dafür, dass die Protestbewegung nicht nachlässt. Viele trugen Anstecker mit blutigen Händen – ein Symbol für ihre Anklage: „Korruption tötet!“

Will Vucic den Ausnahmezustand?

Doch nicht alle kamen friedlich. Auch Regierungsanhänger waren mobilisiert worden – darunter Ultranationalisten, mutmaßliche Hooligans und Mitglieder militanter Gruppen. Sie errichteten Barrikaden nahe des Parlaments, bauten Zelte vor dem Präsidentenpalast auf.

Am Abend kam es zu Auseinandersetzungen: Flaschen und Steine flogen. Eine Studentengruppe forderte daraufhin ihre Anhänger auf, sich zurückzuziehen.

Zeitgleich fuhr in einem südlichen Vorort von Belgrad ein Autofahrer absichtlich in eine Menge von Demonstranten. Drei junge Leute erlitten Verletzungen, wie die Polizei mitteilte.

Der serbische Sicherheitsexperte Srdjan Cvijic warnt: „Die Regierung könnte bewusst Gewalt provozieren, um einen Vorwand für den Ausnahmezustand zu haben.“ In den Staatsmedien wurde bereits von einem „Putschversuch“ der Studenten gesprochen.

Präsident Vucic selbst gab sich gelassen: „99 Prozent der Demonstranten waren friedlich.“ Sechs Aktivisten wurden laut Innenministerium festgenommen – sie sollen angeblich „Aktionen gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ geplant haben.

Seit Wochen gibt es bereits Gerüchte um eine Flucht von Präsident Vucic ins nahe Ausland. Für den Notfall habe er bereits sondiert, wo er ins Exil gehen können. Bekannt sind seine guten Beziehungen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan (71). Eine Flucht ins benachbarte Ungarn oder einen anderen EU-Staat ist indes unwahrscheinlich, da dort aller Voraussicht nach sein Vermögen konfisziert werden würde.