Hamburg/Rostock – Schon seit Jahren warnen Experten vor einer russischen „Schattenflotte“, die auf der Nord- und Ostsee unterwegs ist. Veraltete Schiffe, die schlecht gewartet sind und unter der Flagge von Drittstaaten, russische Güter und Öl durch unsere Gewässer transportieren. Vor allem seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die Zahl dieser Schiffe stark zugenommen.

Dazu hat die Umweltschutzorganisation „Greenpeace“ nun eine Liste mit 192 maroden und angeschlagenen Tankschiffen veröffentlicht, die trotz Sanktionen weltweit Rohöl aus russischen Häfen transportieren.

171 Schiffe davon seien in den vergangenen zwei Jahren einmal oder öfter durch die deutsche Ostsee und das See-Gebiet der Schifffahrtsroute Kadetrinne in der Mecklenburger Bucht gefahren.

Gesamte deutsche Ostseeküste in Gefahr

Die Tanker seien überaltert, in miserablen Zustand, viele wiesen technische Mängel auf, hätten zeitweise ihr automatisches Identifizierungssystem abgeschaltet, um nicht aufzufallen, oder Ladung auf See an andere Tanker übergeben. Das sei ein besonders riskantes Manöver, teilte „Greenpeace“ mit. Zudem schlugen die Umweltschützer Alarm, dass bei einer Havarie in der Kadetrinne, die gesamte deutsche Ostseeküste in Gefahr wäre.

Die Kadetrinne, die nordöstlich der Mecklenburger Bucht verläuft, ist nur wenige Kilometer von der deutschen Küste entfernt und führt von der Halbinsel Darß im Osten bis nach Fehmarn im Westen. Eine dortige Schiffskatastrophe hätte gravierende Folgen für die ganze Region.

Erhebliche Risiken durch die Schattenflotte

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg bestätigte gegenüber BILD die Umwelt- und Sicherheitsrisiken: „Die Schattenflotte stellt ein ernsthaftes internationales Problem dar, das weit über die deutsche Ostseeküste hinausreicht. Diese Flotte untergräbt internationale Sanktionen und bringt teilweise erhebliche Risiken für die maritime Sicherheit mit sich.“

Hinzu kommt, dass diese russischen Tankschiffe unzureichend gegen die Folgen einer Ölpest versichert sind. „Diese Schrott-Tanker müssen als Erstes auf die EU-Sanktionsliste“, fordert daher Thilo Maack, Meeresbiologe von Greenpeace. „Die Bundesregierung muss schnell handeln und eine drohende Katastrophe verhindern.“

Vom VDR heißt es: „Um der Schattenflotte effektiv entgegenzutreten, ist ein internationaler Schulterschluss unerlässlich. Die EU sollte in enger Zusammenarbeit mit ihren Partnern, einschließlich der USA und anderen G7-Staaten, eine koordinierte Strategie entwickeln, um sicherzustellen, dass Sanktionen konsistent und umfassend umgesetzt werden.“

Schrottschiff als Teil eines hybriden Kriegs

Im September sorgte der unter maltesischer Flagge fahrende Frachter „Ruby“ (183 Meter), der von der nordrussischen Halbinsel Kola auslief, für weltweite Schlagzeilen. Der Frachter war mit rund 20 000 Tonnen hochexplosivem Ammoniumnitrat (Hauptbestandteil von Düngemittel) beladen und vor der norwegischen Küste havariert und nur noch bedingt manövrierfähig. Anschließend verweigerten mehrere europäische Häfen dem Schiff die Einfahrt.