Plötzlich steckt Hubert Aiwanger, Chef der bayerischen Freien Wähler, in der Zwickmühle. Lenkt er im Streit um Sondervermögen und Schuldenbremse in letzter Minute ein? Von seinen Freien Wählern kommen plötzlich friedlichere Töne.
Vergangenen Mittwoch hatte Aiwanger, der auch stellvertretender Ministerpräsident in Bayern ist, das Schuldenpaket von Union und SPD rundherum abgelehnt: „Aus unserer Sicht ist das nicht zustimmungsfähig“, sagte er.
Das hätte bedeutet: Die Schuldenbremse scheitert im Bundesrat. Für eine notwendige Grundgesetzänderung werden 46 Stimmen der Länderregierungen benötigt. Stimmt Bayern nicht zu, wären es nur 41 Stimmen.
„Ergebnisoffen“ an den Verhandlungstisch
Jetzt deutet sich der Umschwung an. Nach der Einigung von Union, SPD und Grünen vom Freitag sagt Minister und Freie-Wähler-Vorstandsmitglied Fabian Mehring (36) zu BILD: „Unsere Bayernkoalition muss jetzt an den Verhandlungstisch. Ohne Schaum vor dem Mund, ergebnisoffen, auf Augenhöhe und mit dem gebotenen Respekt voreinander.“
„Wir werden uns die Argumente anhören“, erklärt Mehring, „und dann in unserer Verantwortung für Bayern entscheiden, ob wir Merz‘ Weg für richtig halten und im Bundesrat mit unseren Stimmen unterstützen oder stoppen.“ Die entscheidende Sitzung des bayerischen Koalitionsausschusses soll am Montag stattfinden.
Die Zwickmühle für die Freien Wähler: Verweigern sie die Zustimmung, könnte Ministerpräsident Markus Söder die Koalition beenden und ihre vier Minister entlassen. Er hätte eine zweite Option für eine Regierungsbildung: die SPD. Nach BILD-Informationen gab es auf Fraktionsebene schon Gespräche. Am Wochenende bot Markus Rinderspacher (55), früherer Fraktionsvorsitzender der SPD, Söder sogar öffentlich eine Koalition an.
Gewerkschaften kritisieren Aiwanger
Gleichzeitig steigt der Druck von außen auf Aiwanger. Am Sonntag sagte der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl (54): „Die Freien Wähler stellen sich nicht nur gegen die Reform der Schuldenbremse, sondern auch gegen das Sondervermögen Infrastruktur. Damit handeln sie klar gegen die Interessen des Freistaats.“
Und: Die CSU ist schon länger schwer genervt von Aiwangers Alleingängen. In der Corona-Krise stellte er mehrfach den Lockdown-Kurs der Regierung öffentlich infrage. 2023 sah sich Ministerpräsident Söder in Aiwangers Flugblatt-Affäre gezwungen, ein Machtwort zu sprechen.
Zuletzt verärgerte die Kandidatur der Freien Wähler für den Bundestag die Christsozialen, die um entscheidende Prozentpunkte bangten. Klaus Holetschek (60), Vorsitzender der Landtags-CSU, hatte unter anderem die Freien Wähler nach der Wahl dafür verantwortlich gemacht, dass seine Partei drei gewonnene Direktmandate wegen fehlender Zweitstimmen zurückgeben musste.