Seit Tagen regnet es in Hamburg fast ununterbrochen; die Nachricht, dass sie die glücklichsten Menschen Deutschlands sind, haben die Hamburgerinnen und Hamburger entsprechend überrascht, aber doch ohne jegliches Erstaunen zur Kenntnis genommen. Höchstens mit jenem sublimen Zynismus, den sie hier „hanseatisch“ nennen: Wenn sie schon die Glücklichsten sind, wie mag es dann den anderen gehen?
Das ist natürlich Understatement. Andererseits ist Hamburgs exzellentes Ergebnis im nun erschienenen Glücksatlas der Universität Freiburg methodisch erklärbar: In jedem Bundesland fragten die Forscher Hunderte Probanden nach ihrer persönlichen Lebenszufriedenheit und glichen die Werte nach objektiven Kriterien ab – dem Steueraufkommen pro Kopf, der Kleinkinder-Betreuungsquote, solchen Dingen. Als wohlhabende, vergleichsweise grüne Großstadt mit steigender Wirtschaftskraft, ja, auch in Krisenzeiten, steht Hamburg hier sehr ordentlich da.
Die Hamburger sind mit ihrem Dasein sogar noch zufriedener, als es die harten Kriterien vermuten ließen. Könnte es daran liegen, dass gerade in dieser Stadt eine solche Befragung rasch an ihre Grenzen gerät? Schon aus Mentalitätsgründen? Denn welcher Hamburger würde, von einem wildfremden Forscher offen nach dem Lebensglück gefragt, eine ehrliche Antwort geben, geschweige denn: sein Unglück eingestehen? Wir sind doch hier nicht in Berlin!
Und überhaupt, stimmt die Studie eigentlich? Im Glücksatlas wird Hamburg nicht nur mit anderen Bundesländern, sondern auch mit anderen Großstädten verglichen, und dort stellt sich heraus: In Wahrheit liegt Kassel weit vorn. Vermutlich weil man sich dort keine falschen Hoffnungen macht. Es deutet ja vieles darauf hin: Obwohl die Lebenszufriedenheit in großen Städten geringer ist als in kleinen, suchen immer mehr Menschen ihr Glück in den Metropolen, wo sie dann rasch merken, dass die Hoffnung trügt. In Berlin beispielsweise (Glücksrang 37) oder in München (Platz 27). Hamburg landet in der Liste der Großstädte immerhin auf einem soliden neunten Platz.
Was also ist das Geheimnis der Stadt? Was macht die Menschen dort so unverschämt glücklich? Ist es ihr Talent, über vieles einfach hinwegzusehen: die Mieten, die Baustellen, die anderen Hamburger?
Vielleicht, nur eine Vermutung, sind sie sich ihrer Lage einfach in überdurchschnittlichem Maße bewusst. Weil jede Böe nasskalten Winds, jeder Blick in den fahlen Himmel sie vor die Fragen stellt: Bist du glücklich, mein Freund? Und wenn nein, was machst du dann noch hier?
Vielleicht folgt die Zufriedenheit der Hamburger einfach einem zutiefst darwinistischen Begriffsverständnis – es ist das Glück der Verbliebenen. Wer in dieser Stadt glücklich ist, ist es aus vollem Herzen. Alle anderen leben längst woanders.
